Brief von Carl

 

Ich beneide diese Leute

um die tadellose Fasson ihrer Knochen,

die kurz & schick geschnittenen Gehirne,

ihre bruchfesten Seelen.

Abhängige sind wir alle.

Wenn Du dichten willst: gut. Aber Nachdenken –!

über Quantenmechanik ist die härtere Passion.

Dunkelheit verbreiten ist kein Kunststück.

Sommer ´63 notierte ich: Spontan sind Amateure

und saß nur noch in Bibliotheken. War auch eine Methode

nicht zu leben. Immerhin: man konnte sich mit mir

unterhalten. Ich wußte Bescheid.

Nimm an, Du hast das Gift schon genommen –

Da kommt der Postmann. Wirst Du öffnen? Du wirst.

Zu sehr liebten wir unser Sklavendasein.

 

 

***

Aus: „Brief von Carl, Gedichte“, Silver-Horse-Edition, Marklkofen 2010

Der Lyriker, Essayist und Aphoristiker Maximilian Zander ist am 21.11.2016 im Alter von 87 Jahren in Castrop-Rauxel gestorben. Seit Mitte der 1990er-Jahre veröffentlichte Zander Gedichte und Aphorismen. Seine lakonischen (immer wieder auch metalyrischen) Gedichte, die u. a. in Literaturzeitschriften wie ndl, Muschelhaufen, Faltblatt und Anthologien wie Axel Kutsch, Versnetze (2005) oder Theo Breuer, NordWestSüdOst (2003) sowie in bislang vier Gedichtbänden erschienen, setzen sich auf ironisch-distanzierte Art und Weise mit Alltag und Gesellschaft aus der Sicht eines welterfahrenen Menschen auseinander.

Weiterführend →

Lesen Sie auch seinen Essay über Lyrik. – Poesie ist das identitätsstiftende Element der Kultur, KUNOs poetologische Positionsbestimmung.

Post navigation