Ein Mädchen im frostweißen Hemd
verwirrt von der Suche nach Straßen.
Am dunkelsten leuchtet die Nacht im Wald
dachte sie.
Der Wald dieser ängstliche Geselle,
trägt seit Jahren schon diesen Schal.
Ernährt sich von Fliegenpilzen
und saumseligen Kindern,
die sich vermittels der Märchen
in seinem Gehölz verirren
(da bläst der Jäger in sein Horn,
da ruckelt der Wind am Häuschen,
da wächst die Marmelade im Gewehrlauf des Jägers)
Ich bin Sterntaler.
Am Weihnachtsabend verkaufe ich Streichhölzer.
Da haben die Sterne wichtigeres zu tun,
als mir ins Hemd zu fallen.
Ich verschenke ständig meine Kleider,
und vergesse gleich darauf an wen.
Ich kann mich schlecht konzentrieren.
Meine Nerven sind schwach,
meine Hände halten dem Meteoriteneinschlag stand.
Da fallen Worte in das neu gewachsene Hemd,
die in der Nacht leuchten,
doch bei Tageslicht verdunsten sie.
Eine Zeitlang habe ich Gedichte geschrieben.
Ich verkleidete mich als Mann,
und lag Spitzweg Modell.
Damals war ich genau so hungrig nach einem Namen
wie heute.
***
Bis der Schnee Gewicht hat: Märchenmotive (Lyrik) von Elke Engelhardt, Pop-Verlag, Ludwigsburg.
Der Anfang waren die Märchen der Brüder Grimm und Hans Christian Andersens, die mir, wie wohl den meisten anderen Kindern auch, erzählt wurden. Später dieselben Märchen, diesmal mit mir als Erzählerin und Anne Sexton, die mir beim Vorlesen über die Schulter sah, und nach und nach immer mehr neue Fäden in meine Gedanken und in die alten Geschichten spann. So sind über die Jahre Gedichte und kurze Geschichten entstanden, die ihren Ursprung nicht verleugnen, sondern versuchen, diese Quelle zum Ausgangspunkt eines eigenen Weges zu machen. Die hier zusammengestellten Texte vollziehen den Weg zwischen dem Versuch, eine eigene Form zu finden, und dem spielerischen Rückgriff auf die Traditionen nach.
Weiterführend →
Lesen Sie zum Themenfeld Märchenmotive auch einen Essay von Holger Benkel über die Brüder Grimm.