Briefwechsel

 

Wenn die Post nachts käme

und der Mond

schöbe die Kränkungen

unter die Tür:

Sie erschienen wie Engel

in ihren weißen Gewändern

und stünden still im Flur.

 

 

 

***

Ein redaktioneller Hinweis auf: Verschenkter Rat. Gedichte von Ilse Aichinger. Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuchverlag, 1991, S. 14 (EA 1978)

In diesem Band stellt Ilse Aichinger ihre zwischen 1958 und 1978 entstandenen und bislang nur verstreut oder noch gar nicht publizierten Gedichte geschlossen vor, in einer Anordnung, die ihre Entstehungszeit unberücksichtigt läßt. Bilder und Themen aus der Umwelt, Alltagsbeobachtungen und Erinnertes erscheinen in neuen Bezügen, surrealistisch verfremdet. Es sind kurze Gedichte in einer knappen auf das unbedingt Notwendige reduzierten Sprache. Ihre Poetik des Schweigens ist ihre Konsequenz aus der Ablehnung jeder Form von Konformismus. An Ingeborg Bachmann schrieb Ilse Aichinger in einem Brief, daß sie „an immer kürzeren Versuchen“ arbeite, „die man auch nicht mehr Geschichten nennen kann. Das nächste werden wahrscheinlich Seufzer sein, um es noch kürzer zu machen.“

Weiterführend → Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.

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