Wahre Poesie enttäuscht, lehrt sehen: Das Gute wie das Schlechte in der Welt. Sie stärkt meine Wünsche, bestätigt sie und eröffnet mir neue. Meine Wünsche drängen nach meinem Glück. Die Poesie zeigt mir, wie mein Ich sich am Ich der anderen reibt – so will ich die Harmonie von Ich und Du zum Wir.
Poesie soll mein Inneres offenlegen auf der Folie der Wirklichkeit. Sie justiert mein Handeln, und mein Handeln treibt sie durch neue Träume vorwärts. Traum und Realität sind nur allgemein verständliche Bezeichnungen für Bewusstseinszustände ein und derselben nicht vollständig erkennbaren und beschreibbaren Wirklichkeit.
Meine Genusssucht verlangt, dass diese Arbeit der Selbst- und Fremderkenntnis lustvoll, ja zuweilen lustig fortschreite. Die Arznei des Gehirns, das ist die Sprache der Dichter, in Wahrheit lese ich aus ihnen mein Serum gegen geistigen Starrkrampf, ich bin als Leser immer zugleich selbst Dichtender – anders ist kein Lesen möglich.
Poesie ist kein Opium, keine Religion, kein Versprechen. Ich selbst muss das Opiat meines Handelns gewinnen: Neue Worte, neue Gedanken. Die Kunst, die Lügenzerreißerin, weitet meine logischen Räume. Die Mythen, Gesichte und Bilder formen Gegenwelten, aus denen ich hart auf die Erde zurückgestoßen werde. Den großen Traum Dantons pflanzend sehe ich das unerreichbare Ziel: Eine schmerzlose Welt. An Abgründen vorbei stolpernd rette ich mich in die Bejahung: Das Leben.
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Aus der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft Gedanken über das lyrische Schreiben.
Eine Würdigung von Ulrich Bergmann finden Sie hier.