Ferienlektüre

Nein. Bevor ich anfangen konnte, diese Kurzkritik zu verfassen, musste ich mir über eines klar werden. Man kann einen solchen Text tatsächlich mit einer Negierung /Negation beginnen. Die Leser werden jetzt fragen, warum. Nein, ich lese äußerst ungerne Historienromane, sie geraten meist ins Peinliche. Nein, ich mag meistens auch keine Liebesgeschichten, die sind meist süß wie Weingummi und machen die gleichen Zahnschmerzen. Da werden dann oft halbgare Recherchen über eine bestimmte Zeit zu einem Roman zusammen gepfercht, wahrscheinlich mit einer billigen Liebesgeschichte oder noch Schlimmerem. Historische Romane glänzen oft Halbfaktenwissen und äußerst flachem wie durchsichtigem Plot. Es gibt allerdings drei historische Romane, die für mich ohne Einschränkung gut sind. Zuerst ist da die “Geschichte von der Eroberung Lissabons” von Saramago, “Das Parfüm” von Süskind und jetzt dieses Werk von David Mitchell. Wieder zeigt er die Schwächen der Menschen auf, ihren Umgang mit Sklaven, den Clash of cultures und die Aufrichtigkeit von einzelnen. 1799/1800, drei Nationen kommen ins Spiel: Japan, die Niederlande und Großbritannien. Und wenn man genau ist, auch noch Preußen, Batavia und Südafrika… Die grundlegende Frage kennen wir aus dem Wolkenatlas, auf den sich der Autor auch noch wörtlich bezieht, erst im letzten Drittel, aber deutlich. Was macht uns zu Menschen? Ich werde nichts über den Inhalt sagen, nur noch dies: Mitchell gibt Einblicke in Kolonialverhalten, in die japanische Kultur und tiefen Glauben, auch in abstrus religiöse Abgründe, in die Medizin. Er schafft es, trotz der vielen Namen, jede Figur ins Leben zu rufen und vor den Augen handeln zu lassen. Dutzende kleine Geschichten und große Schicksale. Und schon hört es sich doch kitschig an. Genau das aber ist dieses Buch nicht. Mein Urteil: JA, lesen lohnt.

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Wären dieser schlimme Titel nicht und der reißerische Umschlag, ich hätte mir das Buch vielleicht gekauft. Als Infragestellung unseres Gottes- und Teufelsbildes, als satirische Überspitzung von Anstand versus Ehrlichkeit hat dieser Roman wirklich seine Stärken. Er spielt mit den Perspektiven und zeigt, dass alles anders ist, als wir es uns denken und wünschen. Empfehlenswert allerdings nur für Leser, die eine schnelle Lektüre für zwischendurch gebrauchen können, ohne Hoffnung auf intellektuellen Tiefgang. Für die Wartezimmer von Ärzten und Krankenhäusern geeignet: unterhaltsamer Trash vom Feinsten. Lesen, amüsieren und weglegen, ohne Magenschmerzen oder noch weitere Gedanken verschwenden zu müssen. Bei Filmen würde man von Popkornkino sprechen.

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Ungewohnt für Saramago ist die einfache Sprache, welche er in diesem frühen Roman verwendet. Aber gar nicht so ungewohnt ist die Kunst Bilder im Kopf zu erzeugen. Selten kann man es erleben, dass man als Leser so tief in das Habitat von Figuren eintauchen kann. Als Besucher und Beobachter lässt Saramago uns im Haus mitleben. Das Tun und Denken miterleben. Keine spektakuläre Handlung, aber eben solche Gedanken.  Leider wird zu Beginn das Lesevergnügen von einem unterirdischen Vorwort getrübt. Man hat hier wirklich den Eindruck, als habe der Verlag Hoffmann und Campe gar keine Erfahrung mit Literatur.

 

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David Mitchell: “Die Tausend Herbste des Jakob de Zoet”. 2012 bei Rowohlt.

Joe Hill: Teufelszeug.

José Saramago: Claraboia oder Wo das Licht einfällt. 2013 bei Hoffmann und Campe.