Die Schaubühne als moralische Verunstaltung oder Zur anhaltenden Mode deutscher Inszenierungen

Photo: Rainer Lück

Dass immer wieder – auch im Bereich des Theaters Faschismus-Folien auftauchen, zeigt mir, dass die Phänomene des Faschismus noch längst nicht begriffen sind, weil man nämlich das Denkverbot befolgt: Es kann im Faschismus nichts gut gewesen sein. Die Fragestellung: Was war am Faschismus so verführerisch, läuft immer in die Antwort, dass die Menschen so leicht verführbar und verführt waren. Das aber kann die ganze Antwort nicht sein. Wir müssen die Denkverbote aufheben, und dies nicht nur in den akademischen Vakuum-Laboren. Als Ernst Nolte in der Zeit des Historikerstreits, den er ja maßgeblich mit auslöste, die Frage nach der historischen Funktion des Dritten Reichs (des Faschismus) stellte, verlor man sich in Moralismen.

Ähnliches ist auch zu beobachten, wenn die DDR-Vergangenheit analysiert wird. Das wenige Gute in der DDR (Vollbeschäftigung, materielle Absicherung so gut wie aller Bürger) wird immer im Denkmuster der Widerlegung behandelt: Deswegen ging die DDR ja auch pleite. Usw.

Solche Denkverbote werden gelebt wegen der verständlichen Rücksichtnahme auf Juden, Israel. Das Denkverbot führt zur Unfreiheit des Denkens, es verunmöglicht Kritik als Voraussetzung mündigen, vernunftorientierten Handelns.

Zurück zur Inszenierungsmode, die nationalsozialistische Vergangenheit als Anspielungsfokus für alles mögliche zu missbrauchen, was nun schon seit Jahrzehnten andauert: Hinter dem Schrecken der NS-Grausamkeit lässt sich auch gut jeder Mangel unserer heutigen Lebensverhältnisse verstecken, das ist das Gefährliche! Da sind wir schon wieder beim Denkverbot. Als ob unsere bürgerlich-kapitalistische Demokratie, auch wenn sie zunächst einmal die beste Verfassung in der deutschen Geschichte tatsächlich ist, die absolute Widerlegung des Faschismus sei. So begreift man weder das Faszinosum der faschistischen Bewegung noch die Schwächen unserer gegenwärtigen Verfassung, sondern verhält sich subversiv zur Aufklärung als Grundbedingung jeder Kritik und Reform.

Mich stört an solchen Inszenierungen außerdem der übergroße didaktische Zeigefinger, die Bühne als moralische Anstalt, der Zuschauer als Objekt einer obskuren Erziehung mit der Faschismus-Keule. Ich denke lieber selber. Ich möchte meine Deutungshoheit nicht an der Garderobe abgeben, auch nicht vor der Rampe im Nebel schiefer Vergleiche und dummer Plakatierungen verlieren.

Man möchte ja fast von einer Neurose dieser Regisseure reden. Sind diese zwanghaften Faschismus-Vergleiche Resultate des Geschichtsunterrichts? Oder Wichtigtuerei selbsternannter Moralwächter und Zensoren? Sind das alles immer noch Fernwirkungen unserer faschistischen Vergangenheit?

Aber vielleicht wird das Theater eines Tages wieder ein Raum freieren Denkens. Benjamin von Blomberg, 34, Dramaturg des Jahres 2012, meint:

„Wir bilden keine Aussagesätze mit einem Punkt am Ende, sondern öffnen bestenfalls einen ästhetischen Assoziationsraum, der Fragen und mögliche Antworten in dem Betrachter entstehen lässt, ohne naseweis zu bevormunden und vorzugeben, man selbst habe im Griff: die Deutung des Stoffes, die Deutung der Welt, das eigene Menschsein, das Leben.“

 

 

 

Weiterführend →

Es ist eine bildungsbürgerliche Kurzprosa mit gleichsam eingebauter Kommentarspaltenfunktion, bei der Kurztexte aus dem Zyklus Kritische Körper, und auch aus der losen Reihe mit dem Titel Splitter, nicht einmal Fragmente aufploppen. – Eine Einführung in Schlangegeschichten von Ulrich Bergmann finden Sie hier. Lesen Sie auf KUNO zu den Arthurgeschichten auch den Essay von Holger Benkel, sowie seinen Essay zum Zyklus Kritische Körper.