Hans Neuenfels verhebt sich an der Gärtnerin aus Liebe

 

Der Gatte hat der Gattin wieder eine Rolle zugeschanzt – so geht es zu auf dem Theater, und das ist hier halt (auf dem Theater) recht und billig; wer das Sagen hat, bestimmt.

Auch Markus Boysen, der normaler Weise nichts auf einer Opernbühne, außer vielleicht mal als Bassa Selim oder Frosch (wir haben keine Ahnung, ob er diese O-Sprechrollen jemals gab), zu suchen hat, macht eine mehr verloren-hilflose Figur im Stück im Stück, in dem wir gestern Abend waren. Er ist Conte. Und Elisabeth Trissenaar (s. o.) ist Contessa. Beide wirken wie als wären sie Valmont sowie Merteuil aus dem Quartett von Heiner Müller, und das wäre sicher schön und wünschenswert gewesen, weil die Beiden ja auch wirklich gute Schauspieler (gewesen) sind, jedoch – es handelte sich nicht um das Quartett-Stück Heiner Müllers, sondern um den pseudodichterischen Offenbarungseid eines in seiner künstlerischen Eitelkeit verstrickten und gefesselten und über seine eigene ›Bestimmung‹ hoch hinaus schießenden Alt- Regiestars, der er selbstverständlich ist (!): Hans Neuenfels hatte sich wieder mal als Dichterfürst versucht und erntete, natürlich, für das Aufsagen seiner Altherrenfantasien sexueller Art begeisterten Applaus von Leuten, die es platt und deftig mögen; was für eine künstlerische Ernte!

Mozarts Gärtnerin aus Liebe (jetzt bei Neuenfels: Die Pforten der Liebe) ist ein überlanges Jugendwerk; angeblich soll es eine Wagner-Dauer von fünf Stunden haben, spielte man allein bloß die Musik aus ihm; daher gilt es als unaufführbar – wir erlebten es jedoch 2006 schon einmal; der Zagrosek startete mit ihm halbszenisch seine spannende Konzerthaus-Ära …

Langer Rede kurzer Sinn: Das angeblich ›Überlange‹ dieses Jugendwerkes bot den Anlass, dass der Regisseur es kürzend also spielbar machen sollte oder wollte, und so sann er sich ein Stück im Stück (frei nach Quartett) aus, das das „Überlange“ mittels lauter Quatschereien quasi retuschiert – es wurde hierdurch freilich, durch das viele Rumgequatsche, lang und länger und vor allem furchtbar langweilig! Denn außer den verspritzten ranzig-samenhaltigen Passagen wurde auch noch unendlich-altväterlich über das Wörtchen Liebe hin und her sinniert und grauenhaft gereimt. Es war die Hölle diesem unbedarften Schwachsinn in Geballtheit zuhören zu müssen!

Überdies blieb bis zum Schluss des qualvoll ausgehaltnen Abends völlig unklar, worum es in Mozarts/Neuenfels‘ Pforten der Liebe eigentlich dann ging …

Christopher Moulds leitete eine bestens aufgestellte und sehr gut gestimmte Staatskapelle Berlin. Die Sängerinnen waren allesamt viel besser als die Sänger: Alex Penda, Stephanie Atanasov, Annette Dasch, Regula Mühlemann. Sieben Kleindarsteller (s. u.) mussten Dieses oder Jenes, was dem Neuenfels so für sie einfiel, szenisch tun und hatten sich somit ein schönes Taschengeld hinzuverdient. Das Bühnenbild und die Kostüme Reinhard von der Thannens sahen teuer aus. Wir fragen besser nicht, was diese Produktion gekostet haben könnte, hätte man sie ›kostengünstiger‹ und künstlerisch-plausibeler besetzt.


LA FINTA GIARDINIERA – DIE PFORTEN DER LIEBE
(Staatsoper im Schiller Theater, 01.12.2012) Musikalische Leitung: Christopher Moulds

Inszenierung: Hans Neuenfels
Ausstattung: Reinhard von der Thannen
Besetzung:
Podestà … Stephan Rügamer
Marchesa Violante Onesti, unter dem Namen Sandrina … Annette Dasch
Contino Belfiore … Joel Prieto
Arminda, Nichte des Podestà … Alex Penda
Ramiro … Stephanie Atanasov
Serpetta … Regula Mühlemann
Nardo … Aris Argiris
Contessa … Elisabeth Trissenaar
Conte … Markus Boysen
sowie Anna Juliana Jaenner, Sascha Jähnert, Ellie Marleen, Christian Natter, Natalie Novag, Florian Peters und Laila Maria Witt (als Kleindarsteller)
Staatskapelle Berlin
Premiere war am 24. November 2012.

 

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KUNO dankt dem Medienpartner Kultura-extra für die Kooperation.

Andre Sokolowski, Photo, privat

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Ein Porträt des Dramatikers Andre Sokolowski finden Sie hier.