Ostereier suchen

Draußen erste Kinderstimmen im Nachbargarten. Quietschendes Glück und Erstaunen. Sie haben etwas gefunden und da liegt auch noch was, zwischen den Blumen. Wahrscheinlich hat sich früher jeder über das traditionelle Ostereiersuchen gefreut.

Es gab da immer zwei Phasen, früh morgens waren die Köstlichkeiten im Wohnzimmer versteckt, eigentlich recht spartanisch, gab es einmal ein Schüsselchen mit Zuckereiern zu finden, weiß gar nicht, ob es die noch gibt, lange nicht mehr diese bunten und süßen Teile gesehen, dann für jeden von uns einige Krokanteier und ein mit Zwiebelschalen gefärbtes Frühstücksei, das war es auch schon.

Heute verstecken einige Eltern direkt ganze Fahrräder, weil Weih- nachten ja schon so lange her ist, da hat man ganz vergessen, was man bekommen hat, aktueller sind derzeit allerdings noch die Megariesentrampoline, mit mindestens 366cm Durchmesser und Fangnetz, damit die Kinder nach den Salto nicht mit dem Rücken oder Gesicht auf den Boden knallen, macht immer so hässliche blaue Flecken und Quetschungen, bis hin zu komplizierten Knochenbrüchen oder lustigen Verrenkungen.

Übrigens passen Eipods, Eibooks und Eiphones ganz herrlich zu Ostern. Plötzlich wird auch Ostern zu einem Geschenkefest, mehr und mehr. Lediglich die Werbeindustrie hat das noch nicht richtig entdeckt ist zu vermuten. Welche Möglichkeiten es gäbe, die Konsumorgien anzufachen…

Die zweite Phase des Ostereiersuchens war der obligatorische Spaziergang mit dem Vater. Er hatte dann die Taschen voll mit Krokant- und Nougateiern. Irgendwie hat er es immer geschafft während des Wanderns zu verstecken, ohne dass wir es bemerkt haben, vielleicht wollten wir es auch nicht bemerken, der Lohn für seine Kreativität waren schließlich unsere kaputten Zähne und glückliche Kinder.

Schon auf dem Friedhof fanden sich in den Büschen blinkende runde Überraschungen, im Flieder, in den Zuckerhutfichten. Übrigens war das in keiner Weise anstößig, Ostern und Friedhof gehören zusammen. Viel anstößiger ist die inzwischen zur Normalität gewordene Nutzung von Friedhöfen als Hundeklo. Einige wenige Eier wurden schon auf dem Weg gegessen, die restlichen beim Vater abgeliefert.

Zu Hause angekommen gab es meistens weniger Eier als erwartet. Die Süßigkeiten hatte er einfach mehrfach versteckt.

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Die Angst perfekter Schwiegersöhne, von Herrn Nipp, Edition Das Labor 2011

Haimo Hieronymus ist ein Poet, wenn er Holzschnitte erstellt, und ein realistischer Träumer, wenn er mit Herrn Nipp kurze Texte verfaßt. Wie ein Dichter schreibt er nicht, dazu ist er zu nüchtern und zu lapidar; die Fiktion ist nicht seine Sache, es entstehen auch keine imaginären Welten. Die Wirklichkeit und die Erinnerung sind ihm rätselhaft genug. Herr Nipp betreibt das einfache, das wahre Abschreiben der Welt, er bewegt sich damit zwischen Ereignis und Reflexion und nähert sich einer Topografie der Melancholie. – Ein Sammlerstück ist die Vorzugsausgabe von Die Angst perfekter Schwiegersöhne. Hieronymus hat das Cover einer limitierten Auflage mit einem Holzschnitt versehen.

Weiterführend → 

Zum Thema Künstlerbucher lesen finden Sie hier einen Essay sowie ein Artikel von J.C. Albers. Papier ist autonomes Kunstmaterial, daher ein vertiefendes Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier.

Die bibliophilen Kostbarkeiten sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 0173 7276421