things change

 

m (ich fühle mich)

ich besuche meine freundin in mailand. noch heute nacht werde ich sie sehen. der zug hat die grenze bei chiasso erreicht. draußen fällt regen, der die lichter der nacht multipliziert und bricht. ich denke zurück ich denke voraus.  wir treffen uns in der pension „martha“ nahe des duomo. dort stiegen wir schon fast ein dutzend mal ab. die rezeption ist zum fürchten verlassen, die zimmer sind düster, die vorhänge und teppiche und paneele dunkel und immer etwas staubig. zu hause sagt sie, sie habe ein seminar. das stimmt in mehrerer hinsicht. die tatsache, dass das haus früher ein bordell war, ist eher hilfreich. wir haben bald hochsommer, sagt sie, und deine haut ist weiß wie eh und je.

 

 

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Anmerkung der Redaktion: things change ist eine Reihe von 13 Short-Shorts, kurze Kurzgeschichten. Diese konzentrierten Prosastücke sind schlichterdings nicht ganz einfach, beunruhigend oder schmerzend. Fast alle sind hintersinnig und mindestens doppelbödig. Einige bringen im Kopf des Lesers eine – kleinere oder größere – Welt zum Erblühen. Oder auch zum Verwelken.