Zum Tod von Christa Reinig

„Auch die Umwelt, auf die ich einwirken wollte und die mich geformt hat, verändert sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt so, als hätte ich von Zeit zu Zeit den Planeten gewechselt. Und vor allem: es änderten sich meine literarischen Kriterien.“ (1986)

Im Alter von 82 Jahren ist heute in München die Schriftstellerin Christa Reinig gestorben – und fast wäre ihr Tod vom „großen Feuilleton“ nicht bemerkt worden. Immerhin ver­ging eine Woche, bis zumindest die Frankfurter Rundschau ihr einen Nachruf widmete.

Es war seit langer Zeit ruhig um diese unbequeme Autorin geworden, nachdem sie vor allem in den sechziger Jahren mit ihren Büchern und Hörspielen Aufmerksamkeit erregt und renom­mierte Auszeichnungen wie den Bremer Literatur­preis (1964) oder den Hör­spielpreis der Kriegsblinden (1968) erhalten hatte. Aber sie hat auch danach literarische Werke veröffentlicht. Allerdings wurden sie von den Damen und Herren in den Kulturredaktionen der großen Zeitungen nur noch sporadisch wahrgenommen. Ein Grund dafür war, daß Christa Reinigs Bücher nicht mehr in einem Mainstream-Verlag erschienen, sondern in der kleinen Eremiten-Presse.

Hier zeigt sich wieder einmal das Elend der deutschen Literaturkritik, die fast ausnahmslos auf Neuerscheinungen aus großen oder zumindest größeren (anzeigenträchtigen?) Verlagen fixiert ist. Ausnahmen bestätigen da nur die Regel.

Fast wie Hohn muten die Krokodilstränen an, die Martin Lüdke der „großen Dichterin“ (ja, das war sie) mit einiger Verspätung in der Frankfurter Rundschau nachweinte. Daß es „lange still um sie gewesen war“, wie Lüdke zutreffend bemerkte, liegt doch zu einem erheblichen Teil an der Ignoranz von ihm und seinesgleichen. In Zeiten, da möglichst alle vierzehn Tage eine neue sprichwörtliche Sau durchs Literaturdorf getrieben wird, ist für eine große Dichterin aus einem kleinen Verlag bestenfalls noch auf abseits gelegenen Feldwegen Platz – wenn überhaupt.

So war denn die grundsätzlich begrüßenswerte Erinnerung Martin Lüdkes an Chista Reinig nicht frei von Heuchelei. In ihren letzten Jahrzehnten wäre ihr mit ausführlicheren Rezensionen im „großen Feuilleton“ mehr gedient gewesen. Aber da herrschte weitgehend Schweigen im Walde – pardon: im Dorf.

 

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Eine  Würdigung des Herausgebers und Lyrikers Axel Kutsch im Kreise von Autoren aus Metropole und Hinterland hier. Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.