NACHMITTAG, FELDER UND FABRIK

 

Ich kann die Augen nicht mehr unterbringen.

Ich kann die Knochen nicht zusammenhalten.

Das Herz ist stier. Kopf muß zerspringen.

Rings weiche Masse. Nichts will sich gestalten.

 

 

Die Zunge bricht mir. Und das Maul verbiegt sich.

In meinem Schädel ist nicht Lust noch Ziele.

Die Sonne, eine Butterblume, wiegt sich

auf einem Schornstein, ihrem schlanken Stiele.

 

 

 

 

Der Dichter Alfred Lichtenstein in Militäruniform (1914)

„Er ist nun abseits, wie alle, die Wesentliches zu sagen haben, (…) während geschickte Mittelmässigkeit in bunter Kulissenbeleuchtung paradiert. (…) Aber er wird, wenn alle glänzenden Augenblickspropheten (…) längst zerstäubt sind, noch Menschen aufreissen mit seiner brennenden Wahrhaftigkeit.“ (Carl Zuckmayer)

Alfred Lichtenstein gilt als Vollender und Popularisator des Reihungsstil-Gedichts.  Im Alter von 21 Jahren beginnt er, expressionistische Gedichte zu schreiben, die in der Zeitschrift »Der Sturm« erscheinen. Als Freiwilliger nimmt er von Beginn an am Ersten Weltkrieg teil und schreibt unter dem Eindruck der Kriegserlebnisse in seinem Gedicht »Abschied« die Zeile: »Vielleicht bin ich in dreizehn Tagen tot.« Noch im September 1914 fällt Alfred Lichtenstein an der Westfront.

Weiterführend → Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.