Hinrichtung

 

Merzgedicht 9

Ein Mensch verlangte die Hinrichtung Anna Blumes. Hinrichten wuchtet Kreuzigung. Anna Blume kreuzigen hinrichtet Euch. Ring strahlt das Messer wuchten Scharten schwingen Messer. Ring strahlt das Messer Eure Köpfe, ohne Kopf. Ring wogen Leichen ohne Köpfe Taumel, Taumel.
Menschen! Menschen hirnen Menschen. Ihr Menschen mit dem Gehirn eines Menschen. (Aber mein Herr!) Menschen sind weise, Anna Blume hat ein Vogel.
O du, Geliebte meiner siebenundzwanzig Sinne, A-N-N-A, auch von hinten, du, der ich liebe, du deiner dich dir, das darf nicht sein. Gärten schlingen Welten Kuß. Gärten blühen Hände, Wiesen wohnen Zelte, Himmel welkt Faden, Herbst drahtet Zeiten. Du aber, du Herrlichste, grünst Vogel. Du sättigest tönen Messer die Gefilde. Welkt Erde? Wandern Menschen müssen sterben? Der irre Stahl erhaben glänzt dein Leibern. Tod innig hart peitscht innig Tore Wein. Stirb nur, du weiser Mensch. Du grünest Menschenhirn. Du grünest zittern Menschenhirn. Du stirbst, ich sterbe Mensch, Anna Blume lebt Welten. O du, Geliebte, du grünt Leben welkes Blatt.
Welkt Faden Menschen?
Arme Beinen senken Leiber.
Anna Blume grünt das Welken.

 

 

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KUNO erinert an einen Klassiker: An Anna Blume, von Kurt Schwitters, erscheinen 1919

Anlässlich der Reichtagswahl hat der Raumkünstler, Dichter, und im Brotberuf Werbegraphiker, Kurt Schwitters Anzeigen in Zeitungen geschaltet. Sein Slogan: „Wählt Anna Blume!“ Und er hat in Hannover Plakate mit den Zehn Geboten anbringen lassen – und dann sein Anna-Blume-Gedicht daneben geklebt.

In der Weimarer Republik wird Schwitters‘ Gedicht viel diskutiert, gelobt, veralbert. Und das Werbe-Genie Schwitters wittert seine Chance: Er baut Anna Blume zur Marke auf. Er klebt ihren Namen in seine Collagen und benennt weitere Texte nach ihr.

Unter dem Kennwort Merz hat er ein „Gesamtweltbild“ entwickelt. Daher nimmt es nicht wunder, daß auf seinem Grabstein steht, er sei der Vater von Anna Blume.