Während sich dieser Tage die Frage stellt, wer das Erbe des Kalten Krieges antritt, staunen im kalifornischen Culver City in Justin Jampols Wende-Museum die Besucher über die Buntheit und Modernität der DDR, wahrscheinlich kommt nicht einmal in Deutschland irgendwo noch dermaßen viel DDR auf einen Haufen zusammen. Der Gründer und Geschäftsführer des Wendemuseums in Los Angeles legt den Schwerpunkt seiner Arbeit auf dem Gebiet der Visual Cultural Studies und dem Zusammenhang zwischen zeitgenössischer Kunst und der Ikonografie des Kalten Krieges. Jampol hat an der University of California in Los Angeles studiert und an der Oxford University in Geschichte der Neuzeit promoviert. Er kuratierte mehrere Ausstellungen, produzierte zwei Dokumentarfilme zum Kalten Krieg und realisierte verschiedene Urban-Art-Projekte, darunter das The Wall Project.
Das Wendemuseum ist nach dem historischen Zeitraum um den Mauerfall 1989 benannt. Es wurde 2002 gegründet und verfolgt zwei Ziele: die Erforschung der visuellen und materiellen Kultur des früheren Ostblocks und – mit dem gebotenen physischen und emotionalen Abstand – die Förderung verschiedener Sichten auf diese vielschichtige Geschichte, die die westliche Welt bis heute prägt. Was der untergegange Ostblock bot, war die Anwendbarkeit archäologischer Methoden auf die jüngste Vergangenheit. Ostdeutschland ein Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung, hat Justin Jampol Gefühl einer Vergangenheit vermittelt, die gerade zur Geschichte wird. „Man habe“, erklärt der Forscher „zuschauen können, wie sich die Narrative formten“, unter welchen kulturellen und politischen Einflüssen und Interessen Geschichte geschrieben wird.
Es geht dabei ja nicht nur darum, was die Leute behalten, es geht darum, was sie wegschmeißen, was sie loswerden wollen.
Der enzyklopädische Band, der im Taschen Verlag erschien, zeigt mehr als 2500 Stücke aus der einzigartigen Sammlung des Museums. Noch nie gab es ein Buch mit einem solch umfangreichen Spektrum an Kunstgegenständen, Archivbeständen, Dingen aus der DDR: offizielle Symbole und oppositionelle Ausdrucksformen, Spektakuläres und Alltägliches, Massenproduziertes und Handgemachtes, Witziges und Tragisches. Das Buch ist in einem schicken, tragbaren Schuber verpackt, mit dem Faksimile eines Familienalbums aus der DDR, das reale und Fantasiereisen in der DDR, aber auch außerhalb ihrer Grenzen dokumentiert.
Begleitet werden dieser Überreste einer untergegangenen Zeit von Texten, die Akademiker und Experten aus Europa, Kanada und den USA zu Themen von der Stasi bis zur Sexualität, von Denkmälern bis zu mentalen Landkarten verfasst haben.
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Das Wende-Museum ist eine gemeinnützige Stiftung unter der Leitung von Justinian Jampol als Direktor, der als Historiker ausgebildet ist. Die Adresse lautet: The Wende Museum, 5741 Buckingham Parkway, Suite E, Culver City, California 90230, USA.
Beyond the Wall: Art and artifacts from the GDR von Justinian Jampol Hardcover, 22 x 32 cm, 904 pages
€ 99,99, Taschen Verlag