FEIER DES WORTES

 

Bevor Sie dieses Gedicht betreten,

ziehen Sie sich bitte die Schuhe aus.

Sie werden vom Autor darum gebeten.

Sparen Sie am Ende nicht mit Applaus.

 

Haben Sie sich schon die Hände gewaschen?

Nein? Dann wird es aber höchste Zeit.

Begegnen Sie Dichtung nicht mit der laschen

Einstellung Ihrer Alltäglichkeit.

 

Was glauben Sie denn, wo Sie gerade weilen?

Hier findet eine Feier des Wortes statt.

Spüren Sie nicht den Wohlklang der Zeilen,

die der Autor für Sie geschrieben hat?

 

Da darf er ein bißchen Respekt verlangen.

Nehmen Sie gefälligst Haltung an.

Gerade sitzen! Nicht so durchgehangen

wie ein versoffener Liederjan.

 

Die Zähne sollten Sie sich auch noch putzen.

Ein Gedicht verträgt keinen Mundgeruch.

Oder geht es Ihnen darum zu beschmutzen,

was Sie mehr fordert als ein Kalenderspruch?

 

Lesen Sie langsam. Nehmen Sie sich Zeit.

Sorgen Sie noch für gedämpftes Licht.

Sind Sie jetzt endlich soweit?

Dann genießen Sie dieses Gedicht.

 

 

 

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Axel Kutsch, Lyriker und Anthologist

Weiterführend → Eine  Würdigung des Herausgebers und Lyrikers Axel Kutsch im Kreise von Autoren aus Metropole und Hinterland findet sich  hier.

 Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.