Bilder eines Dichterlebens

Die kind is nie dood nie
die kind lig sy vuiste teen sy moeder
wat Afrika skreeu skreeu die geur van vryheid en heide
in die lokasies van die omsingelde hart
Die kind lig sy vuiste teen sy vader
in die optog van die generasies
wat Afrika skreeu skreeu die geur
van geregtigheid en bloed
in die strate van sy gewapende trots

Die Dichterin Ingrid Jonker ist hierzulande wahrscheinlich nur Eingeweihten bekannt. In ihrer Heimat Südafrika ist das anders, dort gilt sie als gleichrangig mit Sylvia Plath oder Anne Sexton. In den sechziger Jahren schrieb Ingrid Jonkers radikal subjektive Gedichte – Gedichte gegen die Lieblosigkeit der Welt und Gedichte gegen den Rassismus. Und zwar auf Afrikaans, auch Kolonial-Niederländisch genannt, ursprünglich die Sprache der Buren. Und das während Ingrid Jonkers Vater Abraham Jonker, ein Nationalist und Rassist, Vorsitzender der südafrikanischen Zensurbehörde war.

1956 wurde mit Ontvlugting („Flucht“) erstmals einer ihrer Gedichtbände publiziert. Jonker gehörte einer Künstlergruppe an, die sich gegen die Zensur der regierenden Nationalen Partei auflehnte. Ihr Vater war jedoch Vorsitzender des Komitees für Zensurgesetze. Diese politische Gegnerschaft verstärkte den Zwist zwischen Vater und Tochter. Wegen ihrer apartheidkritischen Haltung gelang es Jonker auch jahrelang nicht, weitere Bücher zu veröffentlichen. Außerdem litt sie an einer manischen Depression und wurde etliche Male in psychiatrischen Einrichtungen behandelt. In dieser Zeit hatte sie Verhältnisse mit den Schriftstellern Jack Cope und André P. Brink. Brink war jedoch verheiratet, Cope zwanzig Jahre älter. Eines dieser Verhältnisse führte zu einer Schwangerschaft, die in einer Abtreibung endete, was einen weiteren schweren Schlag für ihre wenig stabile Psyche darstellte.

1963 erschien dennoch ihr Gedichtband Rook en oker, der von liberalen Kreisen enthusiastisch aufgenommen wurde. Ein Jahr später wurde ihr für diesen Band der Preis des „Afrikaanse Pers-Boekhandel“ zugesprochen. Mit dem Preisgeld unternahm sie eine Reise nach Europa, die sie unter anderem nach Paris führte, wo sie Breyten Breytenbach traf. Daraufhin wurde sie auch als Mitglied der Gruppe Die Sestigers bekannt, die sich gegen die konservativen Normen der afrikaansen Literatur dieser Zeit stellte.

Kurz vor ihrem Tod begann sie mit der Arbeit an einem weiteren Gedichtband. Einige dieser Gedichte wurden später postum in der Sammlung Kantelson veröffentlicht. Am 19. Juli 1965 ertränkte sich Jonker an einem Strand bei Kapstadt. Als ihr Vater vom Fund ihrer Leiche hörte, soll er gesagt haben:

Wenn es nach mir geht, können sie sie zurück ins Meer werfen.

Es war das Gedicht Das Kind der afrikaanse Lyrikerin mit dem Nelson Mandela im Mai 1994 das erste demokratisch gewählte Parlament nach dem Ende der Apartheid eröffnete. Das Gedicht hatte Jonker geschrieben, kurz nachdem sie eine Zeitungsnotiz über die reale, alltäglich-brutale Tat gelesen hatte.

Das kraftvoll gespielte Biopic Black Butterflies fokussiert auf die dramatischen letzten fünf Jahre im Leben der Dichterin Ingrid Jonker. Der Film hat alles, was ein großes Drama benötigt. Das Thema der Apartheid allein reicht schon für eine emotionale Reaktion, in Verbindung mit einem Vater-Tochter-Konflikt und dem Umstand, daß hier eine wahre Geschichte erzählt wird, sorgt für einen bemerkenswerten Film. Die Hauptdarstellerin Carice van Houten vollführt eine sehenswerte Tour de Force durch die Gedankenwelt der Lyrikerin.

 

 

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Black Butterflies auf DVD. Regie: Paula van der Oest 
Darsteller: Carice van Houten, Liam Cunningham, Rutger Hauer
. Länge: ca. 96 Min. 
Freigegeben: ab 16 Jahren

. Erschienen bei EuroVideo.