Langzeitsponsoring

Die kleinen Sportvereine auf den Dörfern, in den ländlichen Gebieten der Republik sind ebenso wie die Großen der Branche auf Sponsoren und Werbeeinnahmen angewiesen. Nicht jeder Verein hat das große Los gezogen und irgendein Milliardär setzt sich in den Kopf, dass sein Fünftausendseelen(d)ort auch in der Bundesliga spielen könnte. Zwei Vereine kannte Herr Nipp, denen solches geschehen war. Zum einen in der Tennisbundesliga die Kleinstadt Sundern im Sauerland, die alle hochfahrenden Pläne für die Zukunft allerdings schmeißen musste, als der Sponsor absprang, und das Städtchen Hoffenheim im Fußball, dort hatte der Mäzen immerhin ganz zukunftsorientiert eine Sportstiftung gegründet, so dass die Finanzierung über Jahre sicher gestellt erscheint.

Auch wenn es bei Dorfclubs und gerade was den Handball betrifft nicht um Millionen im zweistelligen Bereich geht, Geld wird gebraucht. Jeder weiß heute wohl, dass Schalke, Dortmund und München und wie sie alle heißen ständig mit irgendwelchen Markenlabels herumlaufen müssen. Da kann sich kein Spieler für seine Lieblingsmarke entscheiden oder gar Bedenken gegen die vielleicht sogar als kritisch zu bewertenden wirtschaftlichen Machenschaften haben. Die Spieler laufen als lebende Litfaßsäulen durch die Landschaft und verdienen sich selber daran eine goldene Nase. Jeder Mensch ist letztlich käuflich, es kommt nur auf den Preis und die Art der Bezahlung an.

Geld muss auf jeden Fall auch für den Kleinsten her, damit Anschaffungen gemacht werden können, die für Trainingseinheiten unverzichtbar sind. Die niedrigen Mitgliedsbeiträge reichen im Glücksfall gerade mal dafür, dass die engagierten Trainer für ihre intensive und tolle Arbeit mit den Jugendlichen ein Taschengeld bekommen. Herr Nipp beobachtete diese Vereinsarbeiter aus Leidenschaft immer gerne und musste ihnen Respekt zollen. Sie schafften es, Kinder aus verschiedensten sozialen Schichten zu echten Mannschaften zu formen, die gemeinsam spielen. Wo anderorts bewusst soziale Ausgrenzung geübt wurde, setzten diese Leute auf wahre Integration, aus dem Selbstverständnis und der eigenen Erfahrung. Diese entstehenden Sportfreundschaften quer durch die Gesellschaft halten normalerweise ein ganzes Leben lang. Hier soll nichts idealisiert, aber trotzdem virtuell der Hut gezogen werden. Integrationsarbeit, die eigentlich nicht hoch genug staatlich anerkannt werden kann. Herr Nipp hatte schon mehrfach darüber nachgedacht, einen Bürgerantrag zu stellen, dass solcherart Engagement auch auf die Rente anrechenbar sein sollte.

Trikots müssen bezahlt werden, denn es sähe einfach nicht gut aus, wenn eine Mannschaft wohl die gleiche Farbe trägt, allerdings verschiedene Shirts. Der Eine wird dann vielleicht die Marke mit dem aufstrebenden Haken bevorzugen, der Andere die springende Raubkatze und ein Letzter wird ganz klassisch einige Streifen zeigen. Nein, um das Mannschaftsgefühl zu verstärken, sollen alle das gleiche Trikot, die gleiche Hose tragen. Keiner von ihnen ist andersgestellt.

Als Herr Nipp an diesem Wochenende in einem solchen Dorfclub ein Handballspiel interessiert verfolgte, musste er feststellen, dass diese kleinen Vereine offensichtlich Langzeitsponsoren besitzen. Meist Familienbetriebe, die in den Vereinen seit Generationen tief verwurzelt sind. Da hatte schon vor Jahrzehnten der Opa im Tor gestanden und der jetzige Juniorchef spielt immer noch in der Altherrenmannschaft, wenn er nicht gerade seine frisch operierte Hüfte schonen muss.

Woran er das erkannt hatte? Oben auf einigen Werbebannern der Halle fanden sich immer noch die vierstelligen Postleitzahlen, die im letzten Jahr abgeschafft wurden.

 

 

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Das Mittelmaß der Welt, unerhörte Geschichten von Herrn Nipp, KUNO 1994 – 2019

Die unerhörten Geschichten von Herrn Nipp sind glossierende Anmerkungen die sich schnoddrig mit dem Zeitgeist auseinandersetzen. Oft wird in diesen Kolportagen ein Konflikt zwischen Ordnung und Chaos beschrieben. Wir lesen sowohl überraschendes und unerwartetes, potentiell ungewöhnliches, das Geschehen verweist auf einen sich real ereigneten (oder wenigstens möglichen) Ursprung des Erzählten.

Weiterführend → 

Zum Thema Künstlerbucher lesen finden Sie hier einen Essay sowie ein Artikel von J.C. Albers. Papier ist autonomes Kunstmaterial, daher ein vertiefendes Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier.

Die bibliophilen Kostbarkeiten sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 0173 7276421