Schlacht

 

Ächzen ringt

Und

Stampfet in die Erde

Packen würgt

Und

Windet wühlt und stemmt

Die Lüfte stehn

Und

Klammern krampfzerrissen

Zerfetzen kracht

Und

Schellet gell zu Boden

Das Wissen stockt

Die Hoffnung bebt und starrt

Die Ahnung blutet

Schreien wächst empor

Das Leben

Flammt

Die letzten Brände

Sprühen

Wild

Krallt

Das Sterben

Auf

Zum Himmel.

Das Taglicht stickt

Die Nacht

Flort um

Das Grabtuch

Die Erde hüllt

Und

Liebe spreizt den Schoß

Die Sterne zittern

Strahlen brücket über

Die Zeit klimmt an

Und

Lächeln sammelt Tropfen

Und

Sammeln Lächeln

Lächeln Sammeln Schreiten

Und

Sammeln schreitet

Lächeln Schreiten Schwinden

Und

Schreiten schwindet

Schwinden Lächeln Schreiten

Und

Schwinden schreitet nach

Dem sturen Raum.

 

 

***

Am 1. September 1915 ist August Stramm bei Horodec östlich Kobryn, in einem sinnlosen Krieg gestorben. Seine Texte fallen auf durch ihre schlichte, reduzierte Sprache. Oft wird kein Wert auf Grammatik gelegt; Substantive, substantivierte Verben und Neologismen bilden den Hauptbestandteil.

Stramms Stil war überraschend und neu. Durch seine Knappheit, Härte und die weit vorangetriebenen Sprachexperimente heben sich Stramms Gedichte deutlich von denen anderer, früher Expressionisten wie beispielsweise Georg Heym und Theodor Däubler ab. Während letztere meist noch deutlich von der Neuromantik und dem Symbolismus beeinflusst sind, reißen Stramms Sprachmontagen den Horizont in die Moderne auf. Die zerhackten Rhythmen, die Satz- und Wortfetzen machen Stramms Gedichte zudem zu den überzeugendsten lyrischen Zeugnissen des Weltkriegs, umso mehr, da es kaum einem anderen Autor gelungen ist, das Grauen dieses ersten Maschinenkriegs in einer dieser ganz neuen Erfahrung angemessenen Form zu verarbeiten.

Schon mit den ersten Veröffentlichungen im Sturm nahmen junge Autoren Stramms Stil auf, darunter Kurt Heynicke, Walter Mehring und Kurt Schwitters. Auch auf die expressionistische Prosa von beispielsweise Alfred Döblin hatte Stramms Sprachduktus Einfluss. Zu späteren Stramm-Anhängern gehören u. a. Arno Schmidt, dessen frühe Prosa (1946–1956) auch stilistisch von Stramms Lyrik beeinflusst ist, Gerhard Rühm, Ernst Jandl und der Stamm-Adept Thomas Kling.

Weiterführend → Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.

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