BERLIN II

 

Der hohe Straßenrand, auf dem wir lagen,

War weiß von Staub. Wir sahen in der Enge

Unzählig: Menschenströme und Gedränge,

Und sahn die Weltstadt fern im Abend ragen.

Die vollen Kremser fuhren durch die Menge,

Papierne Fähnchen waren drangeschlagen.

Die Omnibusse, voll Verdeck und Wagen.

Automobile, Rauch und Huppenklänge.

 

Dem Riesensteinmeer zu. Doch westlich sahn

Wir an der langen Straße Baum an Baum,

Der blätterlosen Kronen Filigran.

 

Der Sonnenball hing groß am Himmelssaum.

Und rote Strahlen schoß des Abends Bahn.

Auf allen Köpfen lag des Lichtes Traum.

 

 

 

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Der ewige Tag, Gedichte von Georg Heym, Rowohlt Verlag 1911

Georg Heym hinterließ rund 500 Gedichte und lyrische Entwürfe; auch unter denen der Hauptschaffensphase, also ab Januar 1910, finden sich nicht nur die später als solche klassifizierten expressionistischen Topoi, sondern zum Beispiel auch Stücke pastoraler Leichtigkeit. Neben diesem umfangreichen lyrischen Werk hinterließ Georg Heym einige Prosastücke sowie wenige dramatische Arbeiten. Seine erster Gedichtband „Der ewige Tag“ erschien Mitte April 1911 beim Rowohlt Verlag. Die Veröffentlichung der Erscheinung zog sich allerdings dadurch hinaus, das Rowohlt Mühe hatte, Heyms handschriftlichen Notizen auf Grammatik und Rechtschreibung zu überarbeiten.

Weiterführend  Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.