kaysersheim den 23ten: dec. 1778.
Ma trés cher Cousine!
in gröster Eyl – und mit vollkomenster Reüe und leid, und steifen Vorsatz schreibe ich ihnen, und gieb ihnen die Nachricht, daß ich morgen schon nach München abreise; – liebstes bäsle, sey kein häsle – ich wäre sehr gerne nach augsburg das versichere ich sie, allein der H: Reichs-Prälat hat mich nicht weg-gelassen, und ich kann ihn nicht hassen, denn das wäre wieder das gesez gottes und der Natur, und wers nicht glaubt ist eine h-r; mithin ist es halt einmal so, – vielleicht komme ich von münchen auf einen sprung nach augsburg; allein es ist nicht so sicher; – wenn sie so viell freüd haben mich zu sehen wie ich ihnen, so kommen sie nach München in die werthe stadt – schauen sie daß sie vorm Neüen jahr noch drinn sind, so will ich sie dann betrachten vorn und hind – will sie überall herum führen, auch wenns nothwendig ist kristiren – doch nur eines ist mir leid, daß ich sie nicht kann logiren: weil ich in keinen wirthshaus bin, sondern wohne bey – ja wo? – das möcht ich wissen; – Nun spassssss à part – just dessentwegen ist es für mich sehr nothwendig daß sie kommen – sie werden vielleicht eine grosse Rolle zu spiellen bekommen – also kommen sie gewis, sonst ist ein schys; ich werde alsdan in eigner hoherperson ihnen Complimentiren, ihnen den arsch Petschieren, ihre hände küssen, mit der hintern büchse schiessen, ihnen Embrassiren, sie hinten und vorn kristiren, ihnen, was ich ihnen etwa alles schuldig bin, haarklein bezahlen, und einen wackeren furz lassen erschallen, und vielleicht auch etwas lassen fallen – Nun
adieu – mein Engel mein herz
ich warte auf sie mit schmerz
schreiben sie mir nur gleich nach München Poste restante
ein kleines briefchen von 24 bögen, aber
schreiben sie nicht hinein wo sie logiren werden,
damit ich sie, und sie mich nicht finden; –
P:S: Scheis – dibitari der pfarer zu Rodempl
hat sein köchin im arsch geleckt, ein andern zum Exempl;
Vivat – vivat – votre sincere Co[usin]
A. [Mozart]
***
Die Bäsle-Briefe wurden von der Forschung lange im Giftschrank versteckt.
Wolfgang Amadeus Mozart, ein PräDaDaist? Er ist auch ein Sprachspieler, reimte und vertauschte, schuf falsche Partizipien und neue Redewendungen, formte Worte zu Witzen zusammen und entliess seine Adressaten gern mit «summa summarum 12345678987654321 Empfehlungen», 100’000’000’000 Küssen oder «333 Complimenten». Und über all diesen Blödeleien waberte der strenge Geruch seines ausgeprägten Fäkalhumors. Ganz besonders gut riechen kann man diesen in Wolfgangs Briefen ans Bäsle, seine Cousine Maria Anna Thekla Mozart. Im Oktober des Jahres 1777 besuchte der 21-Jährige die zweieinhalb Jahre jüngere Tochter seines Onkels Franz Alois in Augsburg. 15 Tage verbrachten sie gemeinsam. Das sind 15 Tage, dessen wohl vergnüglicher Inhalt uns für immer verborgen bleibt. Einzig Wolfgangs Briefe, die er nach seinem Aufenthalt in Bayern an sie schrieb, sind die Zeugen einer dort geknüpften Verbundenheit der beiden jungen Leute. Marias Antworten sind bis heute verschollen.
Weiterführend → Mozart auf der Reise nach Prag ist eine Künstlernovelle von Eduard Mörike, welche an das musikgeschichtliche Genie Wolfgang Amadeus Mozart anknüpft und über eine völlig frei erfundene Begebenheit berichtet. Geschildert wird ein Tag aus dem Leben Mozarts im Herbst 1787.
Eine Vorschau auf einen Briefwechsel → Zwischen 1995 und 1999 hat A.J. Weigoni im Rahmen seiner Arbeit für den VS Kollegengespräche mit Schriftstellern aus Belgien, Deutschland, Rumänien, Österreich und der Schweiz geführt. Sie arbeiteten am gleichen „Produkt“, an der deutschen Sprache.