Affentheater

Affentheater – dieses Wort hat für Erwachsene etwas Groteskes. Das fehlte ihm als ich zum ersten Mal es hörte. Ich war noch klein. Daß Affen auf der Bühne ungewöhnlich sein mußten, kam im Rahmen dieses Ungewöhnlichsten: der Bühne nicht zur Geltung. Das Wort Theater fuhr mir wie ein Trompetenstoß durchs Herz. Die Phantasie fuhr auf. Jedoch die Spur, an welche sie sich hängte, war nicht die, die hinter die Kulissen führte und den Knaben später leitet, sondern die der Glücklichen und Klugen, die es ihren Eltern abgewonnen hatten, nachmittags ins Theater gehen zu dürfen. Der Zugang zu ihm führte durch eine Bresche in der Zeit, die Nische des Tags, die der Nachmittag war und in der es schon nach Lampe und Zubettgehn roch, wurde durchschlagen. Nicht um den Blick auf Wilhelm Teil oder Dornröschen freizugeben; zumindest nicht zu diesem Zweck allein. Höher lag der andere: im Theater, unter den anderen zu sitzen, die auch da waren. Was auf mich wartete, wußte ich nicht, doch sicher schien mir zuzusehen nur Teil, ja Vorspiel eines weit bedeutungsvolleren Verhaltens, in das ich dort mit andern mich finden sollte. Von welcher Art das war, wußte ich nicht. Gewiß ging es die Affen genau so gut wie die bewährteste Schauspieltruppe an. Auch war der Abstand vom Affen zum Menschen nicht größer als der vom Menschen zum Theaterspieler.

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Berliner Kindheit um neunzehnhundert ist eine Sammlung autobiografischer Skizzen. Die einzelnen Texte verbinden sich nicht zu einer zusammenhängenden Erzählung, sondern geben eher einzelne Bilder und Erinnerungs-Bruchstücke wieder, etwa das Schlittschuhlaufen auf einem zugefrorenen Teich oder den Nähkasten seiner Mutter. Dabei versucht Walter Benjamin, sich in die noch unwissende, staunende Haltung des Kindes zurückzuversetzen und dessen Weltsicht in kunstvollen sprachlichen Bildern und Vergleichen wiederzugeben.