Clearingand illumination



Ich glaube, daß der Markt überbewertet ist, daß die Ökonomie überbewertet wird. Gute Kunst, schlechte Kunst, teure Kunst; notwendige Kunst finde ich spannender.

Bild: Archiv Mischa Kuball, Düsseldorf

Das Vorhaben einer spartenübergreifende Zusammenarbeit von Theater und bildender Kunst prägt das Konzept von Ruhrtriennale-Intendant Heiner Goebbels. Eines der interessantesten Projekte in diesem Jahr ist die Gestaltung des Außenraums der Bochumer Jahrhunderthalle durch den international renommierten Lichtkünstler Mischa Kuball. Mit Licht architektonische und urbane Räume erforschen, soziale und politische Diskurse anregen, mit einfachen Mitteln komplexe Themen ansprechen, das macht die Kunst von Kuball so eindringlich. Er reagiert auf Räume und verdeutlicht mit seiner Arbeit soziopolitische und psychologische und architektonische Elemente. Licht ist das wichtigste Material in seiner künstlerischer Arbeit. Wenn er einen Gegenstand, einen Ort akzentuiert, bewirkt das Erhellung und Aufklärung auch im übertragenen Sinne. Kuball holt Verdrängtes und Vergessenes aus der Vergangenheit, legt Sichtachsen frei  und richtet quasi den Scheinwerfer neu aus.

Man überwindet neun Höhenmeter und man schaut auf die Dinge. Alles, was sich unten bewegt, ist entsprechend kleiner. Wenn man ganz oben ist, kann man über das Dach der Jahrhunderthalle hinwegschauen sieht, dann auf den blinkenden Wasserturm, der auch Teil meines künstlerischen Projekts ist.

Die Installation Agora/Arena des Düsseldorfer Medienkünstlers für den Außenraum der Jahrhunderthalle ist Spurensuche und kulturelle Anthropologie zugleich. Mich interessiert Öffentlichkeit als Labor, sagt Kuball über seine künstlerischen Strategien. Mithilfe des Mediums Licht – in Installationen und Fotografie – erforscht er architektonische Räume und führt soziale und politische Diskurse. Kuball reflektiert auch in Bochum unterschiedliche Facetten von kulturellen Sozialstrukturen bis hin zu architektonischen Eingriffen, die den Wahrzeichencharakter und den architekturgeschichtlichen Kontext betonen oder neu kodieren. In politisch motivierten und partizipatorischen Projekten verschränken sich öffentlicher und privater Raum. Sie ermöglichen eine Kommunikation zwischen Teilnehmern, dem Künstler, dem Werk und dem öffentlichen Raum. Agora/Arena lädt die Zuschauer und Spaziergänger ein, das Gelände vor der Jahrhunderthalle als Kommunikationsort zu nutzen und mitzugestalten. Diese Arbeit seit gleichsam fort, was Kuball in 2010 als partizipatorisches Projekt mit Harald Welzer und Christoph Keller geschaffen hat: NEW POTT, mit hundert Familien aus hundert Nationen anlässlich der RUHR.2010 – Kulturhauptstadt Europas umgesetzt mit den Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum. Kunst existiert für Kuball nie im luftleeren Raum, sein Bezugsrahmen ist der Mensch.

Das hat mit dem alten griechischen Verständnis von Polis zu tun, zugleich durch die aktuellen Ereignisse, dem Tahrirplatz und dem Tacsinplatz. Wir lernen, dass diese Plätze eine politische Aufladung bekommen.

Mit der Installation Agora/Arena in Bochum stellt Kuball bereits im Titel die Frage nach Aktivität und Partizipation. Agora war das Forum im antiken Athen, auf dem jeder Bürger in politischen Angelegenheiten mitdiskutieren und mitentscheiden konnte. Im 21. Jahrhundet droht die Agora in den Shoppingmalls zu verschwinden. Anfang der 1970er Jahre gaben das Künstlerpaar Bernd und Hilla Becher mit ihren fotografischen Arbeiten einen ersten Anstoß, Industriebauten im öffentlichen Bewusstsein als autonome Skulpturen zu verankern. Die heute vielfach emphatisch heraufbeschworenen Kathedralen der Industriekultur machten sie lesbar als Ruinen einer postindustriellen Gesellschaft, die im Begriff war, die Spuren ihrer Geschichte verschwinden zu lassen. Kuball sieht seine Zeichensetzung als eine Referenz und Fortschreibung dieser Sichtbarmachung. Seine Arbeiten oszillieren zwischen „Lichtung und Beleuchtung“ (Peter Sloterdijk). Kuballs Agora/Arena sperrt sich gegen den Platzverweis, sie ist eine Einladung.

 

 

***

Ein Interview mit  Mischa Kuball über Agora / Arena findet sich hier.

Mischa Kuball. Photo: Daniel Biskup, Wittenberg

Weiterführend →

Zuvor betrachtete Stefan Oehm für KUNO Kuballs Lichtinstallation res·o·nant. Lesen Sie im Rahmen der public preposition ein Gespräch zwischen Vanessa Joan Müller und Mischa Kuball über öffentliche Beziehungen. Gleichfalls empfehlenswert das Ateliergespräch von Prof. Dr. Matei Chihaia mit Mischa Kuball.

Für das Projekt Kollegengespräche hat A.J. Weigoni einen Austausch zwischen Schriftstellern angeregt. Auf KUNO ist diese Reihe wieder aufgelebt. Mit dem Künstler Mischa Kuball teilt der Romancier den Dauerlauf.