„Here Come the Warm Jets“ ist ein Album des Aufbruchs. Es ist eine für diese Zeit irritierende Mischung aus Theatralik, avantgardistischen Texturen und spielerischem Proto-Punk. Wir hören eine bahnbrechende Kombination aus Melodie und Experiment, die spätere Indie-Bands beeinflussen solltet.
Als Eno die Musiker für dieses Album zusammenstellte, wählte er bewusst solche aus, die seiner Meinung nach nicht zusammenpassten – in der Hoffnung, etwas Ungewöhnliches zu schaffen. Er gab ihnen auch genaue Anweisungen, wie sie zu spielen hatten oder eben nicht – oft durch visuelle Signale (einschließlich Tanz) – anstatt Worte zu benutzen. Anschließend bearbeitete und mischte er die Aufnahmen und Spuren so intensiv, dass sie oft ganz anders klangen als das, was die Musiker im Studio gespielt hatten. Zu den Musikern gehören Hawkwind-Schlagzeuger Simon King, Phil Manzanera, Schlagzeuger Paul Thompson und Andy Mackay von Roxy Music, King Crimson-Gitarrist Robert Fripp und Bassist/Sänger John Wetton sowie Pink-Fairies-Gitarrist Paul Rudolph.
Die rohe, chaotische und bewusst unprofessionell wirkende Produktion und Enos absurde, aggressive klingen wie ein Vorbote dessen, was später Punk ausmachen sollte.
Eno präsentiert sich auf Here Come the Warm Jets als charismatischer Sänger, dessen Einfluss auf David Byrne nicht zu unterschätzen ist, würde doch „The Paw Paw Negro Blowtorch“ problemlos als Talking Heads-Song durchgehen. „Needles in the Camel’s Eye“ wirkt noch stark an Roxy Music angelehnt, es ist einer der zugänglicheren Titel – glamourös, rockig und fast schon poppig, abgesehen von der scharfen und schrillen Rhythmusgitarre. „Cindy tells me“ ist ein psychedelisch angehauchter Pop-Song, wahrscheinlich der normalste Song des Albums. Scheinbar unspektakulär kommt auch die Ballade „On Some Faraway Beach“ rüber.
Wie die Dadaisten, die traditionelle Kunst ablehnten, hinterfragte Eno die Definition von Musik und Kunst, indem er Klänge als Umgebung („Ambient“) statt als fokussierte Kunstwerke präsentierte.
„Baby’s On Fire“ überzeugt mit zwei der großartigsten Gitarrensoli der 1970-er Jahe. Eines von Rudolph und ein noch besseres von Fripp. Tatsächlich besteht der Song fast ausschließlich diesen Gitarrensoli, eingerahmt von Strophen und ohne Refrain.
Beim Hören von „Driving me backwards“ genießt man die atonale Gesangsmelodie, die wie rückwarts abgespielt anmutet, diesmal erinnert Enos Gesang sehr stark an Adrian Belew. „Blank Frank“ klingt wie die Sounds, die einige Jahre später als sehr innovativ galten. Die musikalischen Beiträge auf dem Song reichen von seltsamen Orgelsounds bis zur Gitarre, die einer Maschinenpistole ähnelt.
Eno nutzte Zufallsprinzipien (z. B. in seinen „Oblique Strategies“, die er mit Peter Schmidt entwickelte) zur Komposition, ähnlich dem Dada-Einsatz von Zufall in Gedichten oder Collagen, um rationale Strukturen zu untergraben.
„Dead Finks don’t talk“ vereinigt Elemente von Roxy Music, Lou Reed und Bowie zu einer neuen Mixtur, ganz besonders wäre das Outro zu diesem Song zu beachten, wo Eno einige Sekunden lang eine Musik erzeugt, die man als außerirdisch bezeichnen darf. „Some of them are old“ ist wieder so ein fieses Ding, bei dem die Grenzen zwischen Kitsch, Witz und Kunst zu verschwimmen scheinen.
Eno machte Synthesizer und Studio-Effekte zu zentralen Elementen seiner Musik, was eine Form der Provokation und Innovation darstellte, ähnlich der Verwendung unkonventioneller Materialien durch Dadaisten.
Düsterer wird es „Driving Me Backwards“ ist ein klavierbetontes, schleppendes und dissonantes Stück mit einer wilden und inspirierten Gesangsleistung. „Blank Frank“ ist dagegen cool, eingängig und klingt nach Bo Diddley. In einer der späteren Strophen setzt eine Orgel ein – sie schwillt im Kontrast zum Gesang an und ab. Es wirkt amateurhaft und experimentell, funktioniert aber. Unglaublich inspirierend und unterhaltsam. Als nächstes betrachten wir das hymnische Some Of Them Are Old – mit seinem zarten und zerbrechlichen Slide-Gitarrensolo von Lloyd Watson. Das Album endet mit dem im Wesentlichen instrumentalen Titeltrack, dessen Gitarrensound offenbar die Inspiration für den Titel lieferte. Eno selbst bezeichnete den Klang als „warmen Jet-Gitarrensound“. Sein erstes Soloalbum. verkörperte alles, was Eno sich immer gewünscht hatte: die volle Kontrolle über die Musik, die Produktion und die Präsentation.
Obwohl nicht direkt im Sinne von Hugos Ball Nonsens-Gedichten, teilte Eno die Freude am Spiel mit Sprache und Sinn, was sich in seinen Songtiteln, Konzepten und dem experimentellen Sound zeigt
Auf Here Come the Warm Jets deutet sich an, wie stark Brian Eno wurde vom Dadaismus beeinflusst war, insbesondere durch dessen Ablehnung konventioneller Kunst, die Betonung von Zufall, Absurdität, Provokation und die Infragestellung von Kunst selbst, was sich in Enos Pionierarbeit für Ambient-Musik, der Nutzung von Zufallsgeneratoren, seiner experimentellen Herangehensweise und seiner Rolle in der Populärkultur (Roxy Music, Talking Heads) widerspiegelt, indem er die Grenzen von Musik und Produktion sprengte. Dies ist ein sehr einflussreiches Album, das viele spätere Punk- und Indie-Entwicklungen vorwegnahm.
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Here Come the Warm Jets von Brian Eno, 1974 – 30 Jahre nach dem Erscheinen gibt es dieses Album in einer neuen Abmischung.
Weiterführend → Die Rockmusik erlebte in den 1970-er Jahren eine enorme Vielfalt und ihren Höhepunkt in der Popularität verschiedener Subgenres wie Glam Rock, Punk und Ambiet. Als Innovator wirkte Brian Eno u.a. mit bei: Roxy Music, der Begründung des Ambient Music For Airports, der Lancierung einer Fourth World: 01 Possible Music, mit Jon Hassell und Remain in Light von den Talking Heads.