Gedenktafeleinweihung

 

Die Gedenktafeleinweihung am 24. März 2003 auf dem Hof Hohenbuchen an der Poppenbütteler Hauptstraße 46 in Hamburg fand unter Anwesenheit des polnischen Generalkonsuls Andrzej Kremer, Frau Lüdemann und ihren Familienangehörigen wie auch der Angehörigen des am 13. März 1942 auf dem Gelände dieses Gutes exekutierten polnischen Zwangsarbeiters Andrzej Szablewski statt. Auf der Tafel ist zu lesen: „Der einzige Grund für seine Ermordung war die Unterstellung einer Liebesbeziehung zu einer deutschen Frau aus Poppenbüttel. Der 29-zwanzigjährige Andrzej Szablewski war wie Millionen anderer Ausländer zur Arbeit für die deutsche Kriegswirtschaft gezwungen worden.“ – Wie kam es zu dieser würdevollen Erinnerung an ein Opfer nationalsozialistischer Meucheljustiz und an Hildegard Lüdemann bzw. Lütten, die für ihre vermeintliche, aufgrund einer üblen Denunziation zustande gekommene, „Liebschaft“ mit einem dreijährigen Aufenthalt im KZ-Ravensbrück leiden musste? Über die Hintergründe der inszenierten Ermordung des polnischen Zwangsarbeiters, dessen gerichtliche Vollstrecker 1946 von der Justiz der britischen Besatzungsmacht zum Tode bzw. hohen Gefängnisstrafen verurteilt wurden, recherchierte der Historiker Andreas Seeger. In seinem Vorwort zur vorliegenden Dokumentation verweist er auf gewisse Stolpersteine, die ihm ein deutsches Standesamt in den Weg legte bei seinem Versuch, Einblick in die Sterbeurkunde des von der Nazi-Justiz ermordeten Szablewski zu erhalten. Gleichzeitig lobt er die Bereitschaft der damals mitangeklagten Hildegard Lütten bzw. Lüdemann, bei seiner Recherche zu unterstützen. Sie gab ihm ausführliche Auskunft über erpresste Aussagen, die zur fingierten Anklage gegen Andrzej Szablewski und ihre „Mittäterschaft“ wegen der angeblichen Unzucht mit dem aus der Sicht der Nazis slawischen Untermenschen führten. Seeger dokumentiert in seinen Ausführungen die von dem Gutsverwalter Walter Grimm ausgehende Verleumdung, die Einreichung des Berichts von Willy Schmidt an die Polizeidienststelle, dessen Weiterleitung an die Gestapoleitstelle Hamburg Schritt für Schritt. Auf diese Weise gelingt ihm die Rekonstruktion des Falles von der verleumderischen Berichterstattung bis zur Umsetzung der Exekution an einem unschuldigen Opfer.
Der besondere Wert der Dokumentation besteht in der Erläuterung der Argumentation der Nazi-Justizbehörden, der Rekonstruktion der Hinrichtung auf dem Gelände des Guts Hohenbuchen wie auch in der Bewertung der Vorgehensweise der britischen Strafbehörden vor und während des Prozesses gegen die an der Mordinszenierung beteiligten Polizeibeamten und Gestapoleute im Jahr 1946. Einen ebenso wesentlichen Teil in seiner Darstellung ist dem Schicksal von Frau Lütten gewidmet. Sie wurde wegen ihres angeblichen GV-Verbrechens mit dem polnischen Zwangsarbeiter während des Prozesses von ihrem Ehemann Heinrich Lütten geschieden, ohne Gerichtsurteil von der Gestapo in das KZ-Ravensbrück transportiert, wo sie bis 1945 als „politischer“ Häftling“ in der dortigen Lager-Schneiderei arbeitete.
Auskunft über die wahren Hintergründe der Hinrichtung von Andrzej Szablewski erhielt dessen Witwe, die in Wroclaw lebende, dort 2007 verstorbene Frau Harendziak, die nach dem Krieg wieder geheiratet hatte, erst 61 Jahre nach der Ermordung ihres Mannes. Beim Besuch des Autors in Begleitung von zwei Vertreterinnen der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Hamburg im April 2003 erfuhr sie endlich, dass ihr damaliger Ehemann kein Liebesverhältnis zu der deutschen Frau hatte, wie es fälschlicherweise ihr eine Nazi-deutsche Behörde 1942 mit der Meldung, ihr Ehemann sei deswegen erhängt worden, mitgeteilt hatte.

 

 

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Der Tod eines Zwangsarbeiters, von Andreas Seeger. Mit einem Nachwort von Gerhard Fuchs. Bremen (Donat-Verlag)