Transformierender Einfluss

Brian Eno war der Katalysator, der die Talking Heads von ihren Punk-Wurzeln weg in Richtung eines komplexeren, avantgardistischen New Wave-Sounds führte, der Elemente aus Funk, Weltmusik und experimenteller Elektronik stimmig vereinte.

Luther Blissett

 

Es hat den Anschein, als hätte Eno bei der Arbeit mit den Talking Heads nur da weitergemacht, wo er bereits mit Here Come the Warm Jets begonnen hat. Mit More Songs About Buildings and Food begann auch eine Zusammenarbeit mit dem britischen Produzenten. Das Album knüpft sowohl musikalisch als auch textlich an ´77` an, es ist aber deutlich aufwendiger instrumentiert und produziert. Doch deutet sich hier bereits ein Interesse der Talking Heads an afroamerikanischer Musik, vor allem Funk, an. Die auf dem Album enthaltene Cover-Version des Al-Green-Stücks Take Me to the River wurde ein kleiner Hit. In dem im Country-Stil gehaltenen Stück The Big Country nimmt David Byrne die Rolle eines Beobachters ein, der die „heile Welt“ der „einfachen Leute“ Amerikas beschreibt, jedoch – ohne dies in irgendeiner Weise zu begründen – für sich selbst das Fazit zieht: „Ich würde dort nicht leben wollen, selbst wenn man mich dafür bezahlt!“

Obwohl nicht direkt im Sinne von Hugos Ball Nonsens-Gedichten, teilten Eno und Byrne die Freude am Spiel mit Sprache und Sinn, was sich in seinen Songtiteln, Konzepten und dem experimentellen Sound zeigt

Eno hatte einen transformierenden Einfluss auf die Talking Heads, insbesondere auf „Fear of Music“), indem er ihre Musik durch experimentelle Klanglandschaften, elektronische Texturen, afrikanische Rhythmen und eine tiefere Auseinandersetzung mit urbaner Paranoia bereicherte, was den Sound der Band vielschichtiger und tanzbarer machte, aber auch interne Spannungen verschärfte.

 „Fear of Music ist oft bewusst und brillant desorientierend. Wie seine schwarze, gewellte Verpackung (die an einen Kanaldeckel erinnert) ist das Album unheilvoll, unweigerlich urban und besessen von Textur.“

Jon Pareles

Tina Weymouth erklärte, Byrnes Rhythmusgefühl sei „wahnsinnig, aber fantastisch“ und er sei während der Heimspiel-Sessions maßgeblich für den Ehrgeiz der Band gewesen. Mit der Weiterentwicklung der Songs fielen die Auftritte den Bandmitgliedern leichter. Eno trug entscheidend zur Gestaltung ihres Sounds und ihres Selbstvertrauens bei den Aufnahmen bei und arbeitete an der elektronischen Bearbeitung der Tracks. Auf Fear of Music treten die Einflüsse der Black Music offen zutage. Die Musik wird fast durchgehend von einem dominierenden Funkrhythmus getragen, die Intensität deutlich gesteigert. „Cities“ beschreibt die Suche nach dem idealen urbanen Wohnort und entstand aus der Vorliebe der Talking Heads für Stadtwohnungen, insbesondere in Manhattan. „Paper“ vergleicht eine Liebesbeziehung mit einem einfachen Stück Papier. In „Life During Wartime“ inszeniert sich Byrne als „unheroischen Stadtguerillakämpfer“, der auf Partys verzichtete, von Grundnahrungsmitteln wie Erdnussbutter lebte und Gerüchte über Waffenlieferungen und improvisierte Friedhöfe hörte. Die Figur ist nur mit dem bevorstehenden Zusammenbruch ihrer Zivilisation verbunden. Byrne hielt die Persona für „glaubwürdig und plausibel“. „Air“ ist ein Protestsong gegen die Atmosphäre, eine Idee, die Byrne nicht als „Witz“ betrachtet. Inspiriert von Bertolt Brechts Dreigroschenoper und Kurt Weills wollte der Liedtexter ein melancholisches und berührendes Lied über einen Menschen schaffen, der so deprimiert ist, dass ihm selbst das Atmen Schmerzen bereitet.

 „Was das Album aber so erfolgreich macht, ist vielleicht ein wirklich empfundener Anti-Elitismus. Talking Heads waren klug genug, Intellektuelles ansteckend und sogar tanzbar zu machen.“

Tom Bentkowski

Insgesamt wird das musikalische Spektrum erweitert und reicht von den fast afrikanisch anmutenden Rhythmen des Stückes I Zimbra – der Vertonung des Lautgedichtes Gadji beri bimba des Dadaisten Hugo Ball. Und ausserdem ist der Album-Opener I Zimbra von Afrobeat und Disco beeinflusst und enthält das Gitarrenspiel von Robert Fripp sowie Hintergrundgesang der Tonassistentin Julie Last. Der Nonsens-Text basiert auf dem Gedicht „Gadji beri bimba“ des deutschen Dadaisten Hugo Ball. Jerry Harrison sagte, dass dieses Lied Einfluss darauf hatte, was die Band auf ihrem nächsten Album machen würde. Dieser Song war das gelungene Vorspiel zu Remain in Light dem Meisterwerk der Tal King Heads.

 

 

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Fear of Music, Talking Heads 1979

Weiterführend Die Rockmusik erlebte in den 1970-er Jahren eine enorme Vielfalt und ihren Höhepunkt in der Popularität verschiedener Subgenres wie Glam Rock, Punk und Ambiet. Bereits 1974 hatte Eno diese Entwicklung mit Here Come the Warm Jets angerissen. Als Innovator wirkte Brian Eno u.a. mit bei: Roxy Music, der Begründung des Ambient Music For Airports, der Lancierung einer Fourth World: 01 Possible Music, mit Jon Hassell und Remain in Light von den Talking Heads.