Ein zwangloses Zusammenspiel

Ich wollte vom Konzept her die Blue-Note-Jazzplatten der 50er-Jahre nachahmen, „einfach ein paar richtig gute Musiker zusammenbringen und jammen lassen. Rock ’n’ Roll zu einer Kunstform erheben und ihn mit diesen Jazzplatten vergleichen.

Al Kooper

Keine Musikgeschichte ohne Vorspiel. Das Projekt wurde von dem vielgereisten Multiinstrumentalisten Al Kooper initiiert, und ´Super Session` entstand aus Koopers Frustration darüber, dass kein Produzent das beeindruckende Talent seines Freundes, des Bluesgitarristen Mike Bloomfield, angemessen in Szene setzen konnte. Die beiden hatten sich kennengelernt (und sich damit unbewusst musikalische Unsterblichkeit gesichert), indem sie Dylan assistierten „Like A Rolling Stone“ elektrisch zu spielen. Sie begleiteten auch Dylans kontroversen Auftritt mit elektrischen Instrumenten beim Newport Folk Festival im Juli 1965. Aber His Bobness duldet keine weiteren Götter neben sich.

Al Kooper fungierte als Mastermind hinter dem Projekt, er rekrutierte die Musiker und leitete die Aufnahmen. Seine Fähigkeit, diese kreativen Kräfte zu bündeln und das Projekt zu realisieren, unterstreicht seine Bedeutung als Produzent und Musiker.

Kooper hatte Blood, Sweat & Tears kurz nach deren Debütalbum verlassen und arbeitete als A&R-Manager für Columbia Records. Bloomfield stand kurz vor seinem Ausstieg bei Electric Flag und war arbeitslos. Kooper rief Bloomfield an, um zu fragen, ob er Zeit hätte, ins Studio zu kommen und zu jammen; Bloomfield sagte zu, und Kooper übernahm die Organisation. So beiläufig können Geschichten beginnen…

Die Musiker spielten größtenteils improvisiert, und Kooper fügte später lediglich Bläserarrangements hinzu. Diese Herangehensweise fing die Energie und Kreativität der beteiligten Künstler authentisch ein und stand im Gegensatz zu oft enttäuschenden, übermäßig geplanten Jam-Veröffentlichungen.

Gut wenn bei einen Session ein Tonband mitläuft und die Musik aufzeichnet. Kooper buchte im Mai 1968 zwei Tage Studiozeit bei CBS Columbia Square in Los Angeles und engagierte den Keyboarder Barry Goldberg und den Bassisten Harvey Brooks, beide Mitglieder der Electric Flag, sowie den bekannten Session-Schlagzeuger „Fast“ Eddie Hoh. Am ersten Tag nahm das Quintett eine Reihe von überwiegend bluesbasierten Instrumentalstücken auf. Darunter befand sich auch das modale Stück „His Holy Modal Majesty“, eine Hommage an den im Vorjahr verstorbenen Modal-Jazz-Musiker John Coltrane, das zudem an „East-West“ vom zweiten Album der Butterfield Blues Band erinnerte. Am zweiten Tag, als die Bänder zum Abspielen bereit waren, kehrte Bloomfield in sein Haus in Mill Valley in der San Francisco Bay Area zurück und erklärte, er habe nicht schlafen können.

Er hinterließ eine Nachricht: ‚Konnte nicht schlafen, tschüss.‘ Also rief ich jeden Gitarristen an, den ich in Los Angeles und San Francisco kannte: Jerry Garcia, Randy California, Steve Stills und ich weiß gar nicht mehr, wer noch. Stills war derjenige, der alles zusammengebracht hat.

Al Kooper

Da Kooper für den zweiten Tag gebuchter Studiozeit etwas vorweisen musste, bat er kurzerhand Stephen Stills, der gerade seine Band Buffalo Springfield verließ, Bloomfield zu ersetzen. Mit Dylans „It Takes A Lot To Laugh, It Takes A Train To Cry“ übernimmt Stephen Stills die Saiten und es wird countryrockig. Selbstverständlich gehört Stills zur ersten Garnitur der Gitarristen, er klingt und spielt jedoch total anders als Mike Bloomfield. Mit ein Beweis, wie unsinnig die vielen Umfragen wie ‚Wer ist der beste Gitarrist‘ eigentlich sind. Vielleicht das Highlight der Platte – auf jeden Fall ist das elfminütige Donavan-Cover „Season Of The Witch“ ein Leckerbissen. Ein nicht enden wollender Jam mit fast erotischem Wah Wah-Einsatz. Leicht angejazzt, dann wieder runtergefahren, Bläser, die vehement zwischen Gitarre und Schlagzeugwirbel fahren, eine Hammond, die schwer vor dem pumpenden Bass dahinrollt. „You Don’t Love Me“, eine alte Bluesnummer von Willie Cobb ist das letzte Stück mit Stills an der Gitarre. Obwohl Harvey Brooks’ abschließender Song „Harvey’s Tune“ nachträglich in New York City während des Abmischens hinzugefügte Bläser enthält, kostete die Fertigstellung des Albums lediglich 13.000 US-Dollar.

Die Musiker spielten größtenteils improvisiert, und Kooper fügte später lediglich Bläserarrangements hinzu. Diese Herangehensweise fing die Energie und Kreativität der beteiligten Künstler authentisch ein und stand im Gegensatz zu oft enttäuschenden, übermäßig geplanten Jam-Veröffentlichungen.

Der Albumtitel entstand erst nach den Aufnahmen und ist irreführend, da die beiden Gitarristen während der Aufnahmen nicht zusammen spielten. Stattdessen ist Seite Eins das Ergebnis einer neunstündigen Session mit Kooper und Bloomfield; Seite Zwei präsentiert Kooper und Stills. Beide Sessions wurden von den Electric-Flag-Mitgliedern Barry Goldberg an den Keyboards und Harvey Brooks am Bass sowie dem hochtalentierten Session-Schlagzeuger „Fast“ Eddie Hoh begleitet – Bläser und Koopers zusätzliche Gitarrenparts wurden später hinzugefügt. Super Session war eine beeindruckend ungezwungene Präsentation der Talente seiner hastig zusammengestellten Besetzung. Das Album gilt als eilenstein der Rockmusik und war stilbildend für den Bluesrock und frühen Fusion-Jazz/Rock. Es zeigte, wie verschiedene musikalische Hintergründe – von Blues über Rock bis hin zu Soul – nahtlos miteinander verschmelzen konnten. Das Projekt nahm das Konzept der improvisierten Jam-Session aus dem Jazz und wandte es auf den Rock an, um das zu schaffen, was als „die erste echte Rock ’n‘ Roll Jam-Session“ gilt.

 

 

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Super Session, Al Kooper, Mike Bloomfield, Stephen Stills. 1968 bei Columbia Records.

Weiterführend  Rhythm & Blues lebt davon, dass die Ambivalenz bewahrt wird. Dieses Album wurde veröffentlicht, als Country noch Country war, es gab kein Alternative, was das Rätsel aufgab, was genau man hörte. Die Cowboy Junkies nahmen Blues, Country, Folk, Rock und Jazz und verlangsamten es stark und schufen dabei etwas Neues. Wir betrachten die Geburtshelfer der Americana. Des Weiteren eine Betrachtung des tiefgründigen Folk-Songs: Both Sides Now. Wahrscheinlich hat selten ein Musiker die Atmosphäre einer Stadt so akkurat heraufbeschworen wie Dr. John. Die Delta-Blues-Progression des Captain Beefheart muss dahinter nicht zurückstehen, eine gute Einstimmung für sein Meisterwerk Trout Mask Replica. Wir lauschen der ungekrönten Königin des weißen Bluesrock. Und dem letzten Werk der Doors. Unterdessen begibt sich Eric Burdon auf die Spuren vom Memphis Slim. In der Reihe mit großen Blues-Alben hören wir den irischen Melancholiker. Lauschen dem Turning Point, von John Mayall. Vergleichen wir ihn mit den Swordfishtrombones, von Tom Waits und den Circus Songs von den Tiger Lillies. Und stellen die Frage: Ist David Gilmour ein verkappter Blueser?