Kein Ort, nirgends

„Nichtorte“ stiften keine persönliche Identität oder das Gefühl der Zugehörigkeit. Sie dienen einer Funktion, wie z.B. dem Transport oder Konsum. Es sind Durchgangsorte, an denen man sich nur vorübergehend aufhält und nicht wirklich dort ist. Menschen begegnen sich flüchtig und bleiben anonym. Nach der Globalisierung ähneln sich Nichtorte weltweit, wodurch regionale oder historische Bezüge verloren gehen.

Der Futurist Francesco Balilla Pratella trat in seinem technischen Manifest bereits 1911 für Atonalität und irreguläre Rhythmik in der Musik ein. Luigi Russolo kündigte als Musik der Zukunft in seinem 1913 veröffentlichten futuristischen Manifest L’arte dei rumori die Geräuschkunst an und schrieb wie Pratella entsprechende Musikstücke. Russolo gilt heute als Wegbereiter der synthetischen Musik. 1920 komponierte Erik Satie „Musique d’ameublement, furniture music“, die als Frühform von Ambient angesehen werden kann.

„Ambient“ ist ein Musikgenre mit Einflüssen aus elektronischer, elektroakustischer und akustischer Musik, das durch ruhige, atmosphärische Klangflächen gekennzeichnet ist und den Fokus auf Raumwirkung statt auf konventionelle musikalische Strukturen legt.

Brian Eno entwickelte die Idee für Ambient 1 während er 1977 zwangsweise einige Stunden auf dem Flughafen Köln/Bonn verbringen musste. Während er das Gebäude modern und großartig fand, ärgerte er sich über die gewöhnliche und in seinen Ohren unpassende Soundatmosphäre des Terminals. Noch während seines Aufenthalts begann er mit der Konzeption des Albums, das anders als gewöhnliche Hintergrundmusik, die entweder aufheitern oder atmosphärisch untermalen soll, „beruhigen und einen Platz zum Denken schaffen soll“.

Rhythmus und Perkussion stehen bei der Ambient-Musik im Hintergrund oder sind überhaupt nicht vorhanden, sie erscheinen als subtile Perkussionstexturen, als Arpeggien oder in rhythmisch eingebrachten Melodie- und Bassverläufen. Häufig wird auch mit räumlichen Effekten, Soundscapes und Field Recordings experimentiert, vielfach werden elektronische Orgeln (Keyboards) und Blasinstrumente eingesetzt. Auch Naturgeräuschkulissen, Sprache und Gesang haben ihren Platz. Die Musikstücke sind meist sehr langsam und lang, bauen sich oft gemächlich auf und gehen ineinander über, wobei sie selten einer klassischen Songstruktur folgen.

Music for Airports besteht aus sich überlagernden Tonbandloops, die in verschiedenen Längen ineinander gemischt und überblendet wurden. So wird beispielsweise in 1/1 eine repetitive Klaviermelodie immer wieder von komplexen, sich wiederholenden Klangmustern synchron und asynchron überlagert, was ein komplexes Klangmuster schafft. 2/1 und 1/2 bestehen aus vier Spuren von textlosen, vokalisierten Lauten, die immer wieder mit sich selbst gemischt und überblendet werden. Geringfügige Änderungen in Timing und Timbre werden ständig wiederholt. 2/2 wurde mit einem ARP 2600 im Studio von Conny Plank in Weilerswist aufgenommen.

Music for Airports ist das erste von vier geplanten Alben der Ambient-Serie Enos. Musik aus dieser sphärischen, stark zurückgenommenen Gattung wurde von Eno als „ebenso ignorierbar wie interessant“ beschrieben und wird von ihm deutlich von üblicher Gebrauchsmusik abgegrenzt. Auch wenn Music for Airports nicht die erste Ambient-Veröffentlichung war, ist es dennoch das erste Album, das explizit unter der Genrebezeichnung Ambient vermarktet wurde. Es ist eine Ode an die „Nichtorte“.

 

 

***

Music For Airports von Brian Eno, 1978

Dieses Album wurde 1978 von Polydor und E.G. Records veröffentlicht. Es besteht aus vier Kompositionen und wurde aus sich überschneidenden Tonbandloops verschiedener Länge zusammengestellt. Eno legte das Album als sich ständig wiederholende Klanginstallation an, welche die angespannte, hektische Atmosphäre eines Flughafenterminals angenehmer machen sollte.

Weiterführend Die Rockmusik erlebte in den 1970-er Jahren eine enorme Vielfalt und ihren Höhepunkt in der Popularität verschiedener Subgenres wie Glam Rock, Punk und Ambiet. Als Innovator wirkte Brian Eno u.a. mit bei: Roxy Music, der Begründung des Ambient Music For Airports, der Lancierung einer Fourth World: 01 Possible Music, mit Jon Hassell und Remain in Light von den Talking Heads.