Genie und Wahnsinn

 

Ihre Krankheiten sind oder waren belastend, sie bedeuteten Einschränkungen, oft Qualen und Leid und führten manchmal zum Tod. Ihre Träger sind unterschiedlich damit umgegangen; sie haben gegen ihre Krankheit gekämpft, haben sie akzeptiert oder haben vor ihr resigniert. Ihre Reaktionen waren zutiefst menschlich – unabhängig von ihrem wissenschaftlichen Erfolg. Denn bei den 24 Personen, deren Kurzbiografien geschildert werden handelt sich um bedeutende Vertreter der Natur- und Geisteswissenschaften oder Mediziner. Sie bekamen den Nobelpreis oder andere wichtige Ehrungen und haben herausragende Leistungen für die Allgemeinheit erbracht. 

John Nash, der Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften 1994 zählt durch den Spielfilm A Beautiful Mind zu den prominenten Kranken. Der Film über sein Leben wurde zum Publikumserfolg, was das Leid, das die Krankheit für den Forscher bedeutet, in keiner Weise schmälert. Wie auch in den anderen Kurzbiografien gelingt es den Autoren Katja Betz und Heinrich Zankl hier den Lebensweg des Laureaten interessant, aber ohne Effekthascherei zu zeichnen. Die wissenschaftliche Leistung wird dabei gewürdigt, bleibt aber wenig detailliert und damit verständlich.

Ungewöhnlich sind die Lebenswege der US-amerikanischen Forscherinnen Temple Grandin und Elyn Saks. Temple Grandin ist Autistin, Elyn Saks schizophreniekrank. Beide Wissenschaftlerinnen beziehen ihre eigene Krankheit in ihre Arbeit mit ein und sind damit vermutlich erfolgreicher, als ohne das Wissen um die komplizierten Vorgänge in ihrem Kopf.

Auch wenn die Autoren im Vorwort darauf hinweisen, dass nach neuesten Erkenntnissen, in Familien mit mehreren genialen Mitgliedern auffällig oft psychische Erkrankungen auftreten, sind es auch physische Krankheiten, die Forscher quälen, wie die Schwerhörigkeit bei Thomas Alva Edison, Kabunkeln und Furunkeln bei Karl Marx oder Atemlosigkeit bei dem Philosophen Karl Jaspers.

Trotzdem genial ist ein Buch, das eine interessante Auswahl an Charakteren präsentiert, das Mut machen kann und das Wege aufzeichnet, wie Menschen mit ihrem Handycap umgegangen sind oder umgehen. Hier wird nicht der moralische Zeigestock geschwungen, wenn der Betroffene mitverantwortlich für sein Leiden ist, wie es bei Siegmund Freud der Fall war. Sein exzessiver Tabakkonsum steht in direktem Zusammenhang zu seiner Gaumenkrebserkrankung.

„Um diesem Laster frönen zu können, musste er nach der großen Operation für einige Zeit sogar sein Gebiss mit einer Wäscheklammer aufhebeln. Er nahm für das Rauchen in Kauf, dass in seiner Mundhöhle immer neue Krebsvorstufen entstanden, die entfernt werden mussten, wodurch seine Leiden sich weiter steigerten.“ Auch sein Hausarzt Max Schur wird dazu zitiert:“daß er (Freud) in Perioden schöpferischen Schreibens oder bei der Vorbereitung auf solche Tätigkeit Nikotin brauchte.“ (S. 163)

Im September 1939 stirbt Freud in London an einer Überdosis Morphium, die ihm sein Hausarzt Schur injiziert.

Die Autoren verstehen sensibel mit dem oft heiklen Thema Krankheit umzugehen, was sicher auch daran liegt, das die Buchautorin Katja Betz selbst im Rollstuhl sitzt. Im Anschluss an die jeweilige Biografie werden die dort erwähnten Krankheiten in ihren Symptomen und Therapiemöglichkeiten erklärt.

 

 

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Trotzdem genial , von Heinrich Zankl, Katja BetzDarwin, Nietsche, Hawking und Co., Wiley-VCH, Weinheim