Beginnlosigkeit

ewiger Anfänger bleiben =

eine namenlose Kreatur

Querung der Biografie =

ein Leben im Werden…

im Bogen der Parabel ist das Vergangene längst nicht abgeschlossen…

Erweiterung des Interpretationshorizonts =

Vorschau auf das unwiderruflich Vergehende

ein Strom der Dissonanzen aus Licht & Dunkel…

dem Unvertrautem trauen

einer Anthropologie der Natur auf die Spur kommen…

Störsignale verunreinigter Bildlichkeit…

eine Re:Vision =

um der gesellschaftlichen Wirklichkeit gerecht zu werden…

Umkehrung:

im Bewusstseinsstrom erfindet sich Erinnerung neu

herausgearbeitete Schnittflächen =

bunte Zukunftszugewandtheit trifft

auf apokalyptische Untergangsfantasien…

Sichtbarkeiten:

Emigranten fordern an der Abbruchkante der Gesellschaft

ein Wohnrecht im Unmöglichen

die Kraft des Abwesenden wird

zum bewussten Nichtwissen–Wollen…

sinnstabilisierender Verstehensanfang =

das Grundrauschen tönt

an der Grenze der Wahrnehmung

obzwar unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten vorliegen

entzieht sich das Eigentliche der Erfahrung…

im Übergangsfeld wird sich alles Weitere noch erweisen…

Rotationen, von Haimo Hieronymus. Acryl auf Leinwand, 2021. 87x60cm

***

Wiederbelebungsmasznahme, ein Langstreckenpoem von A.J. Weigoni

In 2024 stellt die Edition Das Labor ein nachgelassenes Poem von A.J. Weigoni in 366 Strophen vor. Es ist „ein freies Flieszen“ assoziierter Bildgefüge, eine Durchquerung entlegenster Wortfelder. Auf der Suche nach einer widerständigen Sprachlogik, dem letztlich unauslotbaren Geheimnis der Sprache. Ein entschlossenes Nomadisieren zwischen Flüstern und lautem Schweigen. Aus Wort- und Bedeutungsverschiebungen entwickelt sich ein eigener Sprachkosmos. Diese consolatio poesiae hat keinen Ort, sie wird für eine Weile im Datennirvana existieren und irgendwann ganz verschwinden. Reine Poesie überwindet die Grenzen des Darstellbaren, alle Wege führen ins Nichts.

Flankiert wird das Langstreckenpoem durch künstlerische Arbeiten von Haimo Hieronymus. In seinen Rotationen gibt es Zeichnungen von Feldern aus konzentrischen Ringen, die sich bedrängen und verformen. Es ist ein Prozess, der von Weiterungen und Abweichungen bestimmt ist. Es ist ein Beobachten und Skizzieren, der Versuch von der Konstruktion weg und auf das Wesentliche dahinter zu kommen. Manchmal erfassen dicke Striche das Papier, als seien unterschiedlich rotierende expansive Kräfte am Werk, die nach aussen drücken und an die Ränder verschieben. Das Branding von Haimo Hieronymus ist, keines zu haben. Sein verästeltes Lebenswerk entwickelte sich über die Jahrzehnte hinweg zu einer partizipativen, sozialen Plastik.

Weiterführend → Verbunden waren sich die Artisten durch ihre Arbeit an Künstlerbüchern. Vertiefend dazu das Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier.

→ Jeder Band aus dem Schuber von A.J. Weigoni ist ein Sammlerobjekt. Und jedes Titelbild ein Kunstwerk von Haimo Hieronymus. KUNO fasst die Stimmen zu dieser verlegerischen Großtat zusammen. Last but not least: VerDichtung – Über das Verfertigen von Poesie, ein Essay von A.J. Weigoni in dem er dichtungstheoretisch die poetologischen Grundsätze seines Schaffens beschreibt. Nachgereicht: A.J. Weigoni geriet nie in die Nähe des Verdachts, eine Autobiographie zu schreiben. Daher versteht KUNO diese essayistische Hinterlassenschaft des Ohryeurs als Liebeserklärung an den Hörsinn. Und zuletzt bei KUNO, eine Polemik von A.J. Weigoni über den Sinn einer Lesung.

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