Augenwinkeldasein

ein sengender Seitenblick auf

die seelische Lethargie

unter einer kollektiven Anästhesie leiden

daneben stehen Figuren der Ähnlichkeit…

Identitätskonzept =

Substanzdualismus vs. Eigenschaftsdualismus

hoffnungsfroh gestimmte Utopien fallen

zeitgleich mit katastrophischen Dystopien

& Denkweisen zusammen

sokratische Denkwürdigkeiten fallen

hinter eine Faustkeilbeschaffenheit zurück

teilnehmende Beobachter werden

zu beobachtenden Teilnehmern

& machen Gedankensprünge sichtbar…

Detailuntersuchungen:

alle Abwesenheit verweist

auf ein letales Polaroid

dass prinzipielle Skeptiker

nicht mehr da sind

es verbleibt ein melancholisches Einverständnis

mit dem Leben

& der stete Versuch sich

in Gegenden der Unabsehbarkeit auszuliefern…

Vernunft =

abstrakte Funktion des Denkmechanismus

ein fernes Echo auf

eine verlorene Dekade…

vergeblicher Kampf gegen

bestehende Strukturen =

ein verborgenes Leben führen

Freiheit leitet sich nicht mehr

von der Idee der Selbstbestimmung

des Individuums her

sie wird zum Rätsel

welches sich hartnäckig

der Auflösung widersetzt…

***

Wiederbelebungsmasznahme, ein Langstreckenpoem von A.J. Weigoni

In 2024 stellt die Edition Das Labor ein nachgelassenes Poem von A.J. Weigoni in 366 Strophen vor. Es ist „ein freies Flieszen“ assoziierter Bildgefüge, eine Durchquerung entlegenster Wortfelder. Auf der Suche nach einer widerständigen Sprachlogik, dem letztlich unauslotbaren Geheimnis der Sprache. Ein entschlossenes Nomadisieren zwischen Flüstern und lautem Schweigen. Aus Wort- und Bedeutungsverschiebungen entwickelt sich ein eigener Sprachkosmos. Diese consolatio poesiae hat keinen Ort, sie wird für eine Weile im Datennirvana existieren und irgendwann ganz verschwinden. Reine Poesie überwindet die Grenzen des Darstellbaren, alle Wege führen ins Nichts.

Flankiert wird das Langstreckenpoem durch künstlerische Arbeiten von Haimo Hieronymus. In seinen Rotationen gibt es Zeichnungen von Feldern aus konzentrischen Ringen, die sich bedrängen und verformen. Es ist ein Prozess, der von Weiterungen und Abweichungen bestimmt ist. Es ist ein Beobachten und Skizzieren, der Versuch von der Konstruktion weg und auf das Wesentliche dahinter zu kommen. Manchmal erfassen dicke Striche das Papier, als seien unterschiedlich rotierende expansive Kräfte am Werk, die nach aussen drücken und an die Ränder verschieben. Das Branding von Haimo Hieronymus ist, keines zu haben. Sein verästeltes Lebenswerk entwickelte sich über die Jahrzehnte hinweg zu einer partizipativen, sozialen Plastik.

Weiterführend → Verbunden waren sich die Artisten durch ihre Arbeit an Künstlerbüchern. Vertiefend dazu das Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier.

Jeder Band aus dem Schuber von A.J. Weigoni ist ein Sammlerobjekt. Und jedes Titelbild von Haimo Hieronymus ein Kunstwerk. KUNO fasst die Stimmen zu dieser verlegerischen Großtat zusammen. Last but not least: VerDichtung – Über das Verfertigen von Poesie, ein Essay von A.J. Weigoni in dem er dichtungstheoretisch die poetologischen Grundsätze seines Schaffens beschreibt. Zuletzt bei KUNO, eine Polemik von A.J. Weigoni über den Sinn einer Lesung.