verborgen in leuchtender Finsternis
vom Ansturm der Ideen mitgerissen werden
& warten bis die tanzenden Staubpartikel
sich wieder legen
die ungelösten Fragen der Vergangenheit
in die Gegenwart transformieren
um relative Wahrheiten in
den Zwischenräumen der fixierten Dogmen aufzudecken
die Aushöhlung des bürgerlichen Lebens durch
die unauslöschliche Wurzel des Nationalismus darstellen…
\ im Erinnerungsschatten die Löcher in der Zeit ausloten \
der Anwesenheit des Abwesenden nachspüren
& diese erkennbar machen
Wurzeln im Unbewussten
der deutschen Seele ausgraben
\ Fehler im System der Erinnerung aufspüren \
Rückkehr einer vergessenen Verirrung mitten
im wahnhaften Scharmützel vergegenwärtigen…
entkoppelte Wahrheitssysteme =
die Community löst
die Nation als primäre Erregungsgemeinschaft ab…
der destruktiven Energie
der Beharrungskräfte entgegenwirken =
Fremdheitserfahrungen einbringen
& mit einer idiomatisierten Wendung
am Wissenshorizont
die kreativen Fliehkräfte der Gedanken
erweitern Wahrnehmungsmöglichkeiten
das Zentrum des Kreises =
eine leere Mitte…
***
Wiederbelebungsmasznahme, ein Langstreckenpoem von A.J. Weigoni
In 2024 stellt die Edition Das Labor ein nachgelassenes Poem von A.J. Weigoni in 366 Strophen vor. Es ist „ein freies Flieszen“ assoziierter Bildgefüge, eine Durchquerung entlegenster Wortfelder. Auf der Suche nach einer widerständigen Sprachlogik, dem letztlich unauslotbaren Geheimnis der Sprache. Ein entschlossenes Nomadisieren zwischen Flüstern und lautem Schweigen. Aus Wort- und Bedeutungsverschiebungen entwickelt sich ein eigener Sprachkosmos. Diese consolatio poesiae hat keinen Ort, sie wird für eine Weile im Datennirvana existieren und irgendwann ganz verschwinden. Reine Poesie überwindet die Grenzen des Darstellbaren, alle Wege führen ins Nichts.
Flankiert wird das Langstreckenpoem durch künstlerische Arbeiten von Haimo Hieronymus. In seinen Rotationen gibt es Zeichnungen von Feldern aus konzentrischen Ringen, die sich bedrängen und verformen. Es ist ein Prozess, der von Weiterungen und Abweichungen bestimmt ist. Es ist ein Beobachten und Skizzieren, der Versuch von der Konstruktion weg und auf das Wesentliche dahinter zu kommen. Manchmal erfassen dicke Striche das Papier, als seien unterschiedlich rotierende expansive Kräfte am Werk, die nach aussen drücken und an die Ränder verschieben. Das Branding von Haimo Hieronymus ist, keines zu haben. Sein verästeltes Lebenswerk entwickelte sich über die Jahrzehnte hinweg zu einer partizipativen, sozialen Plastik.
Weiterführend → Verbunden waren sich die Artisten durch ihre Arbeit an Künstlerbüchern. Vertiefend dazu das Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier.
→ Jeder Band aus dem Schuber von A.J. Weigoni ist ein Sammlerobjekt. Und jedes Titelbild von Haimo Hieronymus ein Kunstwerk. KUNO fasst die Stimmen zu dieser verlegerischen Großtat zusammen. Last but not least: VerDichtung – Über das Verfertigen von Poesie, ein Essay von A.J. Weigoni in dem er dichtungstheoretisch die poetologischen Grundsätze seines Schaffens beschreibt. Zuletzt bei KUNO, eine Polemik von A.J. Weigoni über den Sinn einer Lesung.