Die Humanisierung der Kommunikation

Eine Erinnerung von Ní Gudix an Hadayatullah Hübsch   Es war 1998, da klingelte bei mir das Telefon. Ich wollte gerade etwas vom Fernseher auf Cassette aufnehmen und war daher verärgert über die Störung, da mir das Klingeln die Aufnahme…

Sprachpalette

  Wer A. J. Weigoni durch seine bisherigen Bücher begleitet hat, wird stocken. Er sieht sich einer Sprachkraft gegenüber, die neu ist, knapp und akzentuiert. So verschiedenartig die Themen sind, die ihn fordern, so viele Nuancen weist die Sprachpalette auf,…

Wie entsteht ein Text?

  Gedichte sind am ehesten mit einem Mosaik oder einer Collage vergleichbar. Sie bestehen aus unterschiedlichen Einzelteilen, die zusammengesetzt etwas Neues, etwas Selbständiges ergeben. Jeder Text hat eine andere Entstehungsgeschichte, die von außen nicht wahrnehmbar ist. Seine Inhalte unterliegen einem…

Unaufhörlicher Bewusstseinsstrom

Das lange Gedicht ist, im gegenwärtigen Moment, schon seiner Form nach politisch; denn es zeigt eine Gegenbewegung gegen Einengung in abgegrenzte Gebiete und Kästchen. Walter Höllerer Beginnen wir in der Herleitung mit einer rhetorische Figur, bei der eine Formulierung aus…

Ein Liebling der Musen

  Mancher der das alte Berlin noch gekannt hat, wird sich entsinnen, wie still plötzlich die große Friedrichsstraße wurde, wenn man, nach dem Halleschen Thore zu, eine bestimmte Linie passirt hatte. Die Kochstraße zog eine Grenze zwischen Stadt und Vorstadt;…

Der Wert des Monologes

  Kürzlich ging die Frage durch diese Blätter: Sind Monologe im modernen Drama statthaft oder nicht? Die Monologe bekamen Recht. Vielleicht ist es nicht wertlos, einmal nicht so sehr den Monolog, als vielmehr die Gelegenheit zu betrachten, bei welcher er…

Das Pult

  Der Arzt fand, ich sei kurzsichtig. Und er verschrieb mir nicht nur eine Brille sondern auch ein Pult. Es war sehr sinnreich konstruiert. Man konnte den Sitz verstellen, derart daß er näher oder entfernter vor der Platte lag, die…

Spiegelei mit Speck

  1937 war kein gutes Jahr für mich. Es gab einfach zu viele Privatdetektive in San Francisco. Seit Wochen hatte ich keinen Auftrag mehr erhalten. Aber irgendwie passte es zu diesem entsetzlich kalten Winter. Sogar die Wasserleichen in der Frisco-Bay…

Biertischphilosophen

Das „Bayerische Reinheitsgebot von 1516“ war ein Teil dieser neuen Landesverordnung. Es schrieb Bierpreise vor – eine durchaus vergängliche Regelung. Sie stehen zusammen mitten im Ausstellungsraum, haben sich einen sehr dekorativen Stehbiertisch hinzugezogen, der sonst normalerweise als Ständer für Prospekte…

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  Tage schweben auf leichten Sohlen endlich wieder einmal federvoll sein wollen aber wohin nur wo Bäume sich sammeln rauscht es noch nach Kopf Computer Sirren und never off the line Blase aus Stille weis mir bitte die Tage zu…

Lampenfieber

  Wo Lampenfieber erwartet wird, wird der Frage danach in den meisten Fällen stattgegeben. Natürlich sei man aufgeregt, verkünden Starlets auf flimmernden Bildschirmen, das gehöre einfach dazu. Interviews backstage, gefilmte Rituale, die Offenbarung von Aberglauben in Form von Mineralsteinen und…

Der Offizier der Zukunft

  Arno Voigt, als Miles einer der wenigen deutschen Offiziere, die im Kriege die Wahrheit zu sagen sich nicht gescheut haben, gibt (bei Engelhorn in Stuttgart) ›Gedanken eines Unmilitärischen‹ heraus: ›Der deutsche Offizier der Zukunft‹. »Vielleicht«, heißt es einmal bei…

Zischender Zustand

teil seiner ganzenlebensarbeit ist ja wohl auch, durch übersteigerte ordnung subversive unordnung und verwischung der grenzen zu schaffen Crauss Du spürst es nicht, kannst die bis in Fingerbeere, Haarspitze, Pore emp­fundene und am liebsten wortlose ›Be­geisterung‹ für die dialo­gisch polyphonen…

Gedanken, die um Ecken biegen

  wer einen ethnologischen blick auf die gegenwart wirft, kann sehen, daß die funktionale gesellschaft zugleich eine theatralische ist, in der menschen wie schauspieler agieren, dabei, wenigstens zeitweilig und vorgeblich, eins mit ihren rollen und masken werden, die sie je…

Die Patientenverfügung

  Noëmi hat erhebliche strukturelle Defizite in der Betreuung entdeckt. Bei ihrem Semesterpraktikum für den medizinischen Dienst in einem Pflegeheim lernt sie die ethische Brisanz kennen, dass statt der Integrationsförderung die Pflege nur nach dem Motto Satt und sauber geschieht.…

Amba Mata

  Die Sonne überschritt den südlichsten Punkt ihrer Himmelsbahn, und an diesem Tag begann der astronomische Winter und der Nachthimmel wurde regiert von Saturn, dem Planeten der Ringe, der kurz vor Mitternacht im Gegenschein der Sonne stand. Jani schloss die…

Über die Freundschaft

  Nachdem ich das Benehmen eines Malers, den ich im Hause habe, betrachtete, ist mir die Lust angekommen, in seine Fußtapfen zu treten. Er wählt den schönsten Platz auf der Mitte jeder Wand, worauf er ein Gemälde zeichnet und mit…

Vier Asse auf der Hand

A.J. Weigoni ist ein genialer Decouvreur von Alltagsmythen, ein Demonteur von Sprache auf hohem Niveau. Wolfgang Schlott Eigentlich sind Zombies lebende Tote. Vertieft sich allerdings der Leser in den Kurzgeschichtenband „Zombies“ von Andrascz Jaromir Weigoni, glaubt er sich eher von…

Schattenspiel

Weiterfühend → Mit einem Nachruf würdigt KUNO Peter Meilchens Lebenswerk. Lesen Sie auch den Essay 50 Jahre Krumscheid / Meilchen über die Retrospektive im Kunstverein Linz und den Essay zum Buch / Katalog-Projekt 630.

Zur Evolutionsgeschichte des Essays

Essays sind eine geistreiche Abhandlung, in der wissenschaftliche, kulturelle oder gesellschaftliche Phänomene betrachtet werden. Im Mittelpunkt steht oft die persönliche Auseinandersetzung des Autors mit einem Thema. Unter einem Essay versteht die Redaktion eine Abhandlung, in dem der Autor ein Thema…

La voix du Pirandello

Ein paar Gedanken zu Pirandellos Drama „Sechs Personen suchen einen Autor“ Das ist „Tricktheater“, meinte Emil Faktor in seiner Kritik vom 31.12.1924 im Berliner Börsen-Kurier zum Stück Pirandellos. Das Spiel der sechs Personen, die ihr Leben (in einer fiktiven Theater-Probe)…

Bei Guy de Maupassant

Eine Phantasie Dir allein will ich mein interessantestes Geheimnis anvertrauen, aber du mußt dies als meine Beichte betrachten und bewahren wie ein Amtsgeheimnis. Paris! Ich stand an den Türpfeiler eines Magazins gelehnt und weinte, als wolle ich mich in Tränen…

Weihnachtsmarkt

  Dieser Tage haben die Städte aufgerüstet, an jedem möglichen Laternenpfahl sind oberhalb jeglicher Erreichbarkeit Lichterketten oder Lichtbilder angebracht. Teilweise stammen diese noch aus den sechziger Jahren, sind Zeichen des damaligen Wirtschaftswunders und geben ein Bild einer gewesenen Zeit. Geben…

Kunst – ein Kollektivsingular?

  1. Meine erste Begegnung mit dem Kollektivsingular hatte ich wohl um 1979 in einem der schönsten Arthouse Kinos Düsseldorfs, dem Bambi in der Klosterstraße. Der dortige Zuschauerraum war über und über mit alten Filmplakaten dekoriert. So etwa mit dem…

Über Kunst

  Graf Lew Tolstoj hat in seinem letzten vielumfragten Buche »Was ist Kunst?« seiner eigenen Antwort eine lange Reihe von Definitionen aus allen Zeiten vorangestellt. Und von Baumgarten bis Helmholtz, Shaftesbury bis Knight, Cousin bis Sar Peladan ist Raum genug…

Dezember

  hände wie äste zum himmel gotische landschaft die träne duftet im schnee falte die hände folge der strahlenden furche liebe duftet im schnee       *** KUNO empfiehlt die Dichtungsring-Sondernummer für Ines Hagemeyer, Bonn, 2018 Weiterführend → Ulrich…

Wonach trachtet das Haar?

  Nicht billig ist immer, was später vervielfältigt preiswert zu erwerben ist. Was erworben wird, weiß in der Regel nichts von seiner Billigkeit. Wir aber wissen, daß die Geschmacksknospen aufblühen, wenn sie von wie immer markierten Flüssigkeiten beregnet werden. Unsere…

Denkrede auf Jean Paul

  Ein Stern ist untergegangen, und das Auge dieses Jahrhunderts wird sich schließen, bevor er wieder erscheint; denn in weiten Bahnen zieht der leuchtende Genius, und erst späte Enkel heißen freudig willkommen, von dem trauernde Väter einst weinend geschieden. Und eine…

Das Klopfen der Käfer im Gebälk

  Der Nimbus dieses Autors ist seltsam umwittert, die Wahrnehmung von Thomas Hettche, den man mit allem Recht einen der beeindruckendsten Sprachakrobaten seiner Generation zu nennen hat, findet sich in einer seltsamen Ambivalenz wieder, die bedrückend sein kann, in verschiedene…

Das Leben der Studenten

  Es gibt eine Geschichtsauffassung, die im Vertrauen auf die Unendlichkeit der Zeit nur das Tempo der Menschen und Epochen unterscheidet, die schnell oder langsam auf der Bahn des Fortschritts dahinrollen. Dem entspricht die Zusammenhanglosigkeit, mangelnde Präzision und Strenge der…

Heißzeit

  Der kleine Reisekoffer steht gepackt im Flur. Viel ist es nicht, das Voss mit auf die Reise nehmen wird: Broschüren, Dokumente, eine Auswahl seiner Skizzen und Entwürfe. Worte, die eng stehen. Sein Plan zur Rettung der Welt liegt obenauf,…

BRAND

  ich erblicke meinen körper als brennendes haus, bin selbst in der obersten etage und überlege, ob ich aus dem fenster springen soll. doch ich kann dem feuer ausweichen und fliehe in den hausflur. dort angekommen, sehe ich das treppenhaus…

Die neuere Romantik

  In der vorstehenden Betrachtung sind die hervorragendsten Vorgänger der Romantiker an unsern Blicken vorübergegangen; bis zu ihren höchsten Blüten, bis zur rhetorischen Idealität Schillers und zur symbolischen Naturpoesie Goethes erschloß sich uns diese vom Rationalismus beherrschte Zeit. Aber der…

Rückblende

Nachbemerkung der Redaktion: In diesem Jahr machten wir das Gezeitengespräch von Haimo Hieronymus und Karl Hosse auf KUNO recherchierbar. Für alle, die er eher als bibliophile Ausgabe mögen, der Katalog ist in limitierter und handsignierter Auflage erhältlich. Als Besucher der…

Tristram Shandy

„Der Mann trägt eine Perücke. Sie ist ihm leicht verrutscht. Das gibt dem Bild den Charakter eines Schnappschusses und lässt uns – schließlich ist es ein Gemälde, und da ist nichts dem Zufall überlassen – darüber nachdenken, was uns ein…