Bevor DaDa da war war, DaDa da

In der Spiegelgasse 1 eröffneten Hugo Ball und Emmy Hennings am 5. Februar 1916 das Cabaret Voltaire. Dort fanden allabendlich Veranstaltungen statt, bei denen zu Musik Manifeste, Lautgedichte, Tanz und dramatische Szenen vorgetragen wurden, unter anderem von und mit Hugo Ball, Emmy Hennings, Hans Arp, Richard Huelsenbeck, Marcel Janco, Tristan Tzara, Sophie Taeuber, Suzanne Perrottet. Zum weiteren Umkreis gehörten auch Walter Serner und Friedrich Glauser. An den Wänden hingen Bilder von Picasso, Arp, Macke, Marinetti, Modigliani und anderen. Die Veranstaltungen im Cabaret Voltaire stiessen auf heftige Kritik in der konservativen Presse und in der Bevölkerung.

KUNO läßt einen Zeitzeugen zu Wort kommen:

 

Als ich das Cabaret Voltaire gründete, war ich der Meinung, es möchten sich in der Schweiz einige junge Leute finden, denen gleich mir daran gelegen wäre, ihre Unabhängigkeit nicht nur zu genießen, sondern auch zu dokumentieren. Ich ging zu Herrn Ephraim, dem Besitzer der ›Meierei‹, und sagte: ›Bitte, Herr Ephraim, geben Sie mir Ihren Saal. Ich möchte ein Cabaret machen.‹ Herr Ephraim war einverstanden und gab mir den Saal. Und ich ging zu einigen Bekannten und bat sie:›Bitte geben Sie mir ein Bild, eine Zeichnung, eine Gravüre. Ich möchte eine kleine Ausstellung mit meinem Cabaret verbinden.‹ Ging zu der freundlichen Züricher Presse und bat sie: ›Bringen Sie einige Notizen. Es soll ein internationales Cabaret werden. Wir wollen schöne Dinge machen.‹ Und man gab mir Bilder und brachte meine Notizen. Da hatten wir am 5 Februar ein Cabaret. Mde. Hennings und Mde. Leconte sangen französische und dänische Chansons. Herr Tristan Tzara rezitierte rumänische Verse. Ein Balaikida-Orchester spielte entzückende russische Volkslieder und Tänze.

Hugo Ball als Ritter aus Glanzpapier im Cabaret Voltaire

Viel Unterstützung und Sympathie fand ich bei Herrn M. Slodki, der das Plakat des Cabarets entwarf, bei Herrn Hans Arp, der mir neben eigenen Arbeiten einige Picassos zur Verfügung stellte und mir Bilder seiner Freunde 0. van Rees und Artur Segall vermittelte. Viel Unterstützung bei den Herren Tristan Tzara, Marcel Janco und Max Oppenheimer, die sich gerne bereit erklärten, im Cabaret auch aufzutreten. Wir veranstalteten eine RUSSISCHE und bald darauf eine FRANZÖSISCHE Soirèe (aus Werken von Apollinaire, Max Jacob, Andrè Salmon, A. Jarry, Laforgue und Rimbaud). Am 26. Februar kam Richard Huelsenbeck aus Berlin, und am 30. März führten wir eine wundervolle Negermusik auf (toujours avec la grosse caisse: boum boum boum boum – drabatja mo gere drabatja mo bonoooooooooooo–). Monsieur Laban assistierte der Vorstellung und war begeistert. Und durch die Initiative des Herrn Tristan Tzara führten die Herren Tzara, Huelsenbeck und Janco (zum ersten Mal in Zürich und in der ganzen Welt) simultanistische Verse der Herren Henri Barzun und Fernand Divoire auf, sowie ein Poème simultan eigener Composition, das auf der sechsten und siebenten Seite abgedruckt ist. Das kleine Heft, das wir heute herausgeben, verdanken wir unserer Initiative und der Beihilfe unserer Freunde in Frankreich, ITALIEN und Rußland. Es soll die Aktivität und die Interessen des Cabarets bezeichnen, dessen ganze Absicht darauf gerichtet ist, über den Krieg und die Vaterländer hinweg an die wenigen Unabhängigen zu erinnern, die anderen Idealen leben. Das nächste Ziel der hier vereinigten Künstler ist die Herausgabe einer Revue Internationale. La revue paraîtra à Zurich et portera le nom ›DADA‹. (›Dada‹) Dada Dada Dada Dada.

 

***

Die KUNO-Redaktion empfiehlt eine Pilgerfahrt nach Zürich zu: Dadaglobe Reconstructed. Kunsthaus Zürich, bis 1. Mai 2016 (anschliessend im MoMA New York). Katalog mit Rekonstruktion von «Dadaglobe» (Scheidegger & Spiess)

Weitere Dokumente versemmelt der Band Dada total (hrsg. von Karl Riha, Reclam-Verlag). Wer Dada kompakt haben möchte, findet alles in dem Reclambändchen Dada zum Vergnügen (hrsg. von Kalina Kupczynska und Hermann Korte).

Weiterführend →

Lesen Sie auch Das erste dadaistische Manifest