Wozu noch ein Gedicht?

Der Kritiker hasst den Dichter. Weil er wohl seine schwierigen, nicht aber seine einfachen Sätze versteht.

Gerhard Falkner

„wozu noch ein gedicht / schreiben frage ich mich / alles ist schon gesagt / in vielen variationen / immer die begegnung / mit dem eigenen ich / dieses hineinreden / in einen leeren raum / aus dem keine antwort / zurückkommt zu mir“.

Wiplingers lyrisches Werk ist überaus umfangreich. Aber wenn er sich die oben zitierte Frage stellt, bezweifelt man deren wörtliche Bedeutung. Denn ein Dichter wie er wird immer etwas zu sagen haben, auch wenn keine Antwort zu erwarten ist. Sein unruhiges Herz wird nach Ausdruck verlangen, und die Themen werden immer zur Stelle sein. „Schattenzeit“ versammelt  Bilder aus Rom, Venedig, Warschau, Krakau, Sarajevo, Prag und dem Mühlviertel. Er skizziert Stimmung, Sinneseindrücke, Augenblicke auf die für ihn typische karge, klare Weise. Es ist eine asketische Lyrik, die sich nicht an Metaphern berauscht, der Aufrichtigkeit ein wichtiges Anliegen ist.

Man sagt, Gedichte müßten verständlich sein. So … [ein Aushängeschild auf der Straße], auf dem in klarer und einfacher Sprache geschrieben steht: “hier wird das und das verkauft…

Welimir Chlebnikov

Das Zornige der früheren Jahre scheint nun nicht mehr so sehr im Vordergrund zu stehen. Sanftere Töne klingen an, der Genießer kommt zum Vorschein, auch der schönen Seiten des Lebens wird gedacht. Erinnerungen, wenn auch ein wenig wehmütig, und das Versäumte werden thematisiert, keinesfalls wehleidig, das würde nicht zu P.P.Wiplinger passen. Das herannahende Alter wird als natürlicher Vorgang angesprochen, sehr schön in dem Gedicht „Tagesanbruch“.

„grau dämmert / der morgen / ein lichtstreif / am horizont / im dunkel noch / liegen die täler / in der ferne / die hügel / lautlose stille / es ist herbst / und dies / auch in mir“.

Der Trockenheit und Herbheit seines Stils mischt sich ein Hineinschauen und Hineinhorchen in die Natur bei, das eine liebende Gesinnung erahnen lässt. Das Wort Liebe kommt öfter vor in diesen Gedichten, mit Abschied im Bunde und ohne Bitterkeit: „ … nicht nach der zeit fragen / die einem noch bleibt / an die liebe denken als sei / man noch eingebettet in ihr …“. P.P. Wiplinger ist ein leidenschaftlicher Mensch, aber nun findet eine Gelassenheit ihren Ausdruck, wenn er schreibt, dass alles schon auf Abruf geschieht, die Wege beendet und die Stunden nicht mehr gezählt werden sollen. „die liebe laß los / und auch die geliebte / tritt sprachlos ein / in das schweigen / sanft mag erklingen / melodie und musik / am himmel die sterne / in schwarzblauer nacht.“

Wozu noch ein Gedicht scheiben?

Wie würde der Lyriker Wiplinger diese Frage beantworten? Weil Gedichte schreiben seine Form des Denkens und Fühlens, der Kommunikation und des Lebens ist. Weil die Sprache seine Heimat ist, die er sonst nirgendwo findet.

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Peter Paul Wiplinger, Schattenzeit, Gedichte 2000 -2010, Arovell Verlag 2013