Krisenbewältigung auf Kulturpolitisch

 

SchuldenKrisen (wie unsere derzeitige irgendwie noch immer nicht beendete) gefährden einmal mehr die kommunale Kunst- und Kulturförderung. Öffnungszeiten und Programme örtlicher Kunstgalerien und Büchereien werden eingeschränkt, manche „Kulturtempel“ werden gar geschlossen. Viele Programme werden vorwiegend von Ehrenamtlern bewältigt.

Und für freie Künstler gibt es immer weniger öffentliche Gelder. Aussagen ihrer Bilder, Bücher und Darstellungen lassen häufiger das notwendig Provozierende vermissen.

Doch an Kunst muss sich der Leser und Betrachter reiben können. Kompromisse sind bereits zu glatt geschliffen.

Kulturpolitik muss offenbar Kompromissloses durch Kompromisse realisieren. Und das nicht zu letzt, da vor allem in Deutschland zurzeit alles auf Konsens aus ist und selbst ehemalige Wahlkämpfer eher das Gemeinsame suchen. So sind sich offenbar Politiker aller Parteien , ohne es auszusprechen, einig:

Kulturpolitik ist Sparpolitik.

Schon Theodor Heuss kannte die Schwierigkeit, mit Kultur Politik zu machen. Allerdings hielt er, Politik ohne Kultur nicht für möglich.

Die in Demokratien gewählte Form der Kunstförderung sollte daher folgerichtig auf die Freiheit von Kunst und Künstlern und nicht vor allem auf die Freiheit des Marktes setzen. Nur so kann kompromisslos frei bleiben, was kompromisslos frei sein muss. 

Der durch quotenabhängige Massenmedien beeinflusste Geschmack der Mehrheiten bestimmt, was sich an Kunst (Marktgesetzen folgend) massenhaft an Massen verkaufen lässt. Kompromisslose Kunst aber trifft gerade nicht den Massengeschmack und benötigt daher kompromisslos öffentliche Förderung. Das trifft selbstverständlich auch Kulturinitiativen, die sich um Migrantenkunst bemühen, die selten den deutschen Massengeschmack bedienen.

Durch Einsparungen in der kommunalen Bildungs- und Kulturpolitik werden immer weniger Menschen immer weniger an anspruchsvoll originelle Kunst und kulturelle Bildung herangeführt. Künstler unterwerfen sich, um erfolgreich ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, dem Markt, dem (billigen) Massengeschmack und/oder den Erwartungen reicher Kunstsammler. 

Kompromisslos frei können Künstler unter solchen Bedingungen kaum arbeiten und Kunst kann somit der Gesellschaft immer seltener den notwendig provozierenden Spiegel vorhalten, um gesellschaftliche Reflexionen anzuregen.

Politik ist Umgang mit Macht. Veränderungen bedeuten Machtverluste für jene, die im sicheren Besitz der Macht bleiben wollen. Kreative Kunstideen wirken subversiv sowie subtil und folgen kaum jener Logik, die zwecks Machterhalt zu (machtpoltischer) Vernunft erklärt wird. Nicht von ungefähr waren einst machthungrige Kriegsfürsten selten der Kunst und Kultur zugetan, taten sich aber als Plünderer und Eroberer von Kunstschätzen hervor, da sie ausschließlich der materielle Wert dieser Schätze interessierte.

Auch heute sind Kunstwerke sichere Wertanlagen, sicherer als jene zinsarmen Anlageformen, zu denen Banken raten.

Betriebswirte, Stadtmarketing, Wirtschaftssoziologen und Kulturpolitiker streiten darüber, ob Kultur nun harter oder weicher Standortfaktor sei. Zum Glück sehen manche Manager in höheren Etagen größerer Unternehmen bei allem Ökonomismus Kunst nicht nur als finanzielle Wertanlage sondern haben auch ideele Ansprüche an die Kunstszene. Und die Kommunen brauchen für Unternehmensansiedlungen so genanntes hochwertiges Humankapital, sprich qualifizertes Personal. Das aber hat kulturelle Ansprüche. Daher gilt dem kommunalen Wirtschafts- und Kulturpolitiker Kunst und Kultur wenigstens als weicher Standortfaktor. Dass im Bereich Kunst auch Arbeitsplätze (als harter Standortfaktor) zu vergeben sind, spricht sich immer noch sehr langsam herum.

Künstler und kunstnah Tätige sollten lieber das Klischee weltfremder Idealisten bedienen. Als solche können sie kaum Einfluss auf die harte (Macht-)Realität nehmen.

Der Kapitalismus gerät zurzeit immer mehr in de Ruf, inhuman zu sein. Er soll daher ein menschliches Anlitz zeigen. Das eröffnet Chancen. Kommunale Kunst- und Kulturpolitik könnte der gescheiterten Wirtschafts- und Finanzpolitik ein notwendiges Gegengewicht entgegensetzen.

Unsere derzeitigen Krisen sind nur vordergründig finanzielle. Eigentlich sind sie allesamt Teile einer kulturellen Wertekrise. 

Beim Geld dürfen Menschlichkeit und die Freundschaft eben gerade nicht aufhören. Und wenn, dann nur, weil sie mit Geld ohnehin nicht zu bezahlen sind.

Doch nicht Geld ist unmoralisch. Allein die Art damit umzugehen kann höchst inhuman sein. Kunst und Kultur sind gefragt, menschliche Werte zu entwickeln und zu vermitteln, die offenbar an Börsen und in Banken verspielt wurden. Eine entsprechend gezielte kommunale Kulturpolitik wäre somit ein wesentlicher Beitrag zur einer humanen, demokratischen und integrationswilligen Gesellschaft.

 

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Weiterführend → 

Lesen Sie auch seine glossierende Anmerkung über Twitteratur:Kurz knackig einfühlsam.