Der Social-Beat-Veteran

Die Sprache ist lakonisch, denn die Helden sind Verlierer. Alkohol gehört zur Grundausrüstung für den Alltag, und der Ärger mit Behörden ist notorisch. Zwischen der unterdrückten Lust, Amok zu laufen und der Angst vor dem plötzlichen eigenen Ende, hat Adelmann seine stilistischen Mittel sicher in der Hand.

Daniel Dubbe

Roland Adelmann gehört wohl zu den Social-Beat-Veteranen. In den 1980ern bereits veröffentlichte er literarische Punkrocktexte. 1986 erschien seine erste Kurzgeschichte im legendären Underground-Magazin „Gasolin 23“, 1973 von keinem Geringeren als Carl Weissner ins Leben gerufen. Legendär auch seine Perfomanceauftritte Ende der 1980er, als er auf Mülltonnen einschlug und sein Publikum mit Abfall beschmiss. Zusammen mit Carsten Born und SchrödA gab er in dieser Zeit eines der ersten Underground-Literaturfanzines namens „Produkt“ heraus, das zusammen mit Robsie Richters „Kopfzerschmettern“ und Jens Neumanns „Ikarus“ die Speerspitze junger deutschsprachiger Literatur bildete und den Weg bereitete für die unterschiedlichsten Literaturströmungen der 1990er.

1992 und 1993 dann veröffentlichte er zusammen mit Isabel Rox die mittlerweile längst vergriffenen Anthologien „Downtown Deutschland“ und „Asphalt Beat“, die erstmals eine Bestandsaufnahme der neuen deutschen Underground-Literatur darstellten. Im Laufe der 1990er entwickelte sich Adelmann laut Braunschweigs Stadtmagazin „Cocktail“ zu einem der „Top-Entertainer“ der Social-Beat-Bewegung und der ersten Poetry Slams, wo er sich u. a. unvergessliche Wortduelle mit Jan Off lieferte. Seine äußerst witzigen, originellen und skurrilen Punkrockgeschichten waren immer einer der Höhepunkte der unzähligen Lesungen, die mit riesigem Publikumsinteresse (allein in Berlin kamen bis zu 400 Leute zu einer Lesung) nun republikweit abgehalten wurden.

Adelmanns eigene Ergüsse beschränkten sich weitestgehend auf Poeme, die er in vorgenannten Fanzines veröffentlichte, und in zwei kleinen Gedichtbänden. Ein interessantes Zeitdokument ist sein Blues im Morgenmantel.

 

 

***

Blues im Morgenmantel: Gedichte von Roland Adelmann, Ariel Verlag, 1994

Weiterführend →

Zu den Gründungsmythen der alten BRD gehört die Nonkonformistische Literatur, lesen Sie dazu auch ein Porträt von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins. Kaum jemand hat die Lückenhaftigkeit des Underground so konzequent erzählt wie Ní Gudix und ihre Kritik an der literarischen Alternative ist berechtigt. Ein Porträt von Ní Gudix findet sich hier (und als Leseprobe ihren Hausaffentango). Lesen Sie auch die Erinnerungen an den Bottroper Literaturrocker von Werner Streletz und den Nachruf von Bruno Runzheimer. Zum 100. Geburtstag von Charles Bukowski, eine Doppelbesprechung von Hartmuth Malornys Ruhrgebietsroman Die schwarze Ledertasche. 1989 erscheint Helge Schneiders allererste Schallplatte Seine größten Erfolge, produziert von Helge Schneider und Tom Täger im Tonstudio/Ruhr. Lesen Sie auch das Porträt der einzigartigen Proletendiva aus dem Ruhrgebeat auf KUNO. In einem Kollegengespräch mit Barbara Ester dekonstruiert A.J. Weigoni die Ruhrgebietsromantik. Mit Kersten Flenter und Michael Schönauer gehörte Tom de Toys zum Dreigestirn des deutschen Poetry Slam. Einen Nachruf von Theo Breuer auf den Urvater des Social-Beat finden Sie hier – Sowie selbstverständlich his Masters voice. Und Dr. Stahls kaltgenaue Analyse. – Constanze Schmidt beschreibt den Weg von Proust zu Pulp. Ebenso eindrücklich empfohlen sei Heiner Links Vorwort zum Band Trash-Piloten. Inzwischen hat sich Trash andere Kunstformen erobert, dazu die Aufmerksamkeit einer geneigten Kulturkritik. In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen, der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Die KUNO-Redaktion bat A.J. Weigoni um einen Text mit Bezug auf die Mainzer Minpressenmesse (MMPM) und er kramte eine Realsatire aus dem Jahr 1993 heraus, die er für den Mainzer Verleger Jens Neumann geschrieben hat. Jürgen Kipp über die Aufgaben des Mainzer Minipressen-Archives. Ein würdiger Abschluß gelingt Boris Kerenski mit Stimmen aus dem popliterarischen Untergrund.